Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
sagte er. »Meine Füße sind in Ordnung und waren schon immer in Ordnung, und ich möchte nie wieder was von einem Klumpfuß hören.«
    »Gut, gut«, sagte Cassi beruhigend. Mit professionellem Blick erkannte sie, daß er leichte Gleichgewichtsstörungen hatte, seine Bewegungen waren nicht von der gewohnten Präzision. Darüber hinaus sprach er undeutlich, fast nuschelnd. Diese Anzeichen waren ihr in den vorangegangenen Monaten schon ein paarmal aufgefallen, aber sie hatte sie immer ignoriert. Es war sein gutes Recht, sich hin und wieder einen ordentlichen Schluck zu genehmigen, und sie wußte, daß er Scotch gerne trank. Es überraschte sie nur, daß er in der kurzen Zeit, seitdem er das Eßzimmer verlassen hatte, schon soviel zu sich genommen haben sollte. Er mußte ein Glas nach dem anderen in sich hineingeschüttet haben.
    Mehr als alles andere wollte sie, daß er Ruhe und Entspannung fand. Wenn die Diskussion über den hypothetischen Klumpfuß ihn aufregte, war sie absolut bereit, das Thema für immer fallenzulassen. Sie stand auf und legte ihm den Arm um die Schulter.
    Er wehrte sie ab und trank trotzig einen weiteren Schluck Scotch. Er sah aus, als wartete er nur darauf, daß sie einen Streit anfing. Von nahem stellte Cassi fest, daß sich seine Pupillen zu winzigen schwarzen Punkten inmitten der hellblauen Iris zusammengezogen hatten. Sie unterdrückte ihren eigenen Ärger darüber, daß sie zurückgewiesen worden war,und sagte: »Thomas, du mußt ja völlig erschöpft sein. Du gehörst längst ins Bett.« Diesmal ließ er es zu, daß sie ihm den Arm um den Hals legte. »Komm, laß uns schlafen gehen.«
    Thomas seufzte, sagte aber nichts. Er stellte sein Glas ab und Cassi führte ihn den Korridor hinunter zum Schlafzimmer. Er fing an, sich das Hemd aufzuknöpfen, aber sie schob seine Hände beiseite und nahm ihm die Arbeit ab. Langsam zog sie ihn aus. Seine Kleider landeten achtlos auf dem Boden. Kaum daß er im Bett lag, legte sie rasch ihre eigenen Kleider ab und schlüpfte zu ihm zwischen die Laken. Es war herrlich, das kühle, frisch gewaschene Leinen auf der Haut zu spüren, das behagliche Gewicht der Decke und die Wärme des männlichen Körpers neben ihr. Vor dem Fenster heulte der Novemberwind und wirbelte das japanische Glockenspiel auf dem Balkon durcheinander.
    Cassi fing an, Thomas zu massieren, zuerst Hals und Schultern, dann arbeiteten ihre Hände sich langsam seinen Körper hinunter. Sie spürte, wie er sich lockerte und auf ihre Berührung reagierte. Er regte sich und nahm sie in die Arme. Sie küßte ihn und ließ ihre Hand sacht zwischen seine Beine wandern. Er war schlaff und klein.
    Im selben Moment, in dem Thomas Cassis Berührung spürte, setzte er sich auf und stieß sie zurück. »Ich finde es nicht gerade fair, ausgerechnet heute nacht von mir zu erwarten, daß ich dich befriedige.«
    »Es ging mir um dein Vergnügen«, sagte Cassi sanft, »nicht um meins.«
    »Sicher, jede Wette!« sagte er böse. »Versuch nicht, mich mit deinem Psychiaterquatsch einzuwickeln.«
    »Thomas, es ist doch völlig egal, ob wir miteinander schlafen oder nicht.«
    Er stieg aus dem Bett und suchte mit unkoordinierten, ruckartigen Bewegungen seine auf dem Boden verstreuten Kleider zusammen. »Und das soll ich dir glauben?«
    Er verließ das Zimmer und schlug die Tür so heftig hinter sich zu, daß die Sturmfenster erzitterten.
    Cassi blieb zurück, allein in der Dunkelheit. Der heulende Wind, der ihr noch vor wenigen Minuten ein so anheimelndes Gefühl der Sicherheit gegeben hatte, jagte ihr jetzt Angst ein. Die alte Furcht, verlassen zu werden, überfiel sie erneut. Trotz der Wärme der Laken zitterte sie. Was war, wenn Thomas von ihr ging? Verzweifelt versuchte sie, nicht daran zu denken, denn die Vorstellung allein schien ihr unerträglich. Vielleicht war er einfach nur betrunken. Sie erinnerte sich seiner Gleichgewichtsstörungen und der nuschelnden Sprechweise. In der kurzen Zeit, während der sie sich mit Patricia unterhalten hatte, konnte er unmöglich soviel Alkohol zu sich genommen haben, daß solche Symptome auftraten, aber wenn sie darüber nachdachte, mußte sie zugeben, daß es in den letzten drei oder vier Monaten mehrere derartige Vorkommnisse gegeben hatte.
    Cassi lag auf dem Rücken und starrte die Decke an. Das Licht einer Lampe im Garten drang zwischen den Ästen eines unbelaubten Baums vor dem Fenster und schuf ein Schattenmuster, das an ein riesiges Spinnennetz erinnerte. Das Bild jagte

Weitere Kostenlose Bücher