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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Schermesser. Es wippte, kaum wahrnehmbar, im Takte des menschlichen Herzschlages und war überzogen von einem dünnen Blutschleier.
    Der Schächter wischte das Messer ab am Saume seines Mantels; ein zartes rötliches Ornament blieb zurück. Der Jude starrte auf die fernen Bergzüge, die über die Lehmmauer ragten, sich aufwellten aus dem Blau und wieder darein versanken.
    Und jedesmal, beim Schlachten der übrigen Schafe, erhielten die Augen des Juden einen Ausdruck stummen, sich erinnernden Gehorsams, der eine unbekannte Vergangenheit hineinzerrte in einen stinkenden Hof, wo Fliegenschwärme um Kothaufen summten, und ein dicker Hund, schier mit dem gleichen sich erinnernden Blick, das rieselnde Blut mit träger Zunge lappte.
    Auf dem Rückweg traf Lös den Capitaine Materne. Er ging mit langen Schritten vor dem Büro auf und ab und ließ einen Weidezweig mit leicht pfeifendem Geräusch regelmäßig gegen seine Gamaschen klatschen. Im Hintergrunde schüttelten die Maghzens drohende Fäuste. Doch diese Drohungen vermochten des Capitaines Spaziergang nicht zu unterbrechen; sechs Schritte vor, sechs Schritte zurück, in aufreizender Eintönigkeit. Der Schwarm folgte ihm.
    »Sind die Maghzens nicht vor drei Tagen aufgeboten worden?« fragte Lös den alten Kainz, der neben ihm lief und einen zweirädrigen Handkarren stieß, auf dem die geschlachteten Schafe lagen, mit den abgehäuteten Köpfen nickten und die zerbrochenen Beine willenlos schlenkerten.
    »Darum machen sie auch so ein Geschrei. Heute ist schon der zweite Tag, wo sie sich so benehmen, gestern den ganzen Morgen haben sie schon mit dem Materne gehandelt.«
    Nun hatten die Männer den Capitaine eingekreist. Alle streckten sie drei Finger in die Höhe und fuchtelten damit vor dem Gesicht des Schweigsamen. »Thleta duro«, kreischten sie. Es klang wie ein tragischer Chor.
    Der alte Kainz war stehen geblieben und sah interessiert zu. Auch Lös mußte halten. Die beiden standen nur wenige Schritte von der Versammlung entfernt.
    Capitaine Materne machte noch zwei Schritte. Dann hinderte ihn der geschlossene Kreis am Weitergehen. Die Weidengerte stand senkrecht in seiner Hand und zitterte ein wenig. Sein Kopf überragte die schreiende Menge, die ihn geduckt umgab. Und seine Augen blickten über die Köpfe weg, nach den weißen Schneegipfeln; dann sagte er leise und deutlich, und die Weidengerte wies in die Ebene, die hinter seinem Rücken lag: »Hemschi'l Bled.« Da klappten die aufgeregten Finger an den Händen der Maghzens zusammen, die Fäuste verschwanden in den weiten Ärmeln. Murmelnd verzog sich der Schwarm, wie Mücken, die dem Rauch weichen müssen. Capitaine Materne aber (drei Jahre St. Maxence, vier Jahre Weltkrieg, Kommandant der Ehrenlegion, Kriegskreuz mit drei Sternen und zwei Palmen) stand steif, seine Augen waren weich, und ihr Ausdruck ähnelte dem des Schächters. Lös stellte es erstaunt fest.
    Links neben dem Eingang des Postens saß ein Mädchen, eingehüllt in einen alten blauen Stoffetzen. Lös erkannte sie und winkte ihr zu. Es war Zeno, die im nahen Ksar wohnte und täglich zum Posten kam, um die schmutzige Wäsche einiger Unteroffiziere zu holen, die sie dann im nahen Oued wusch. Sie war mit wenig zufrieden: mit einer Handvoll Gerste, einer Gamelle Suppe, einem halben Laib Brot. Sehr mager war sie, ein schmutziges weißes Tuch wand sich um ihren Kopf und ließ ein Büschel strähniger Haare am Hinterkopf frei. Ihr Gesicht war hellbraun, regelmäßig und nicht tätowiert.
    Ihr Gang war sanft und knabenhaft, ohne nutzloses Wiegen in den Hüften. Ungeschickt gab sie Lös die Hand, führte den Zeigefinger an die Lippen, nach uraltem Brauch; ihre Stimme war hoch und ein wenig rauh, als sie Lös ansprach; sie begehrte Zucker und Kaffee und verlangte die Wäsche. Kainz spuckte verächtlich aus: er liebte es, den Weiberfeind zu spielen. Lös versprach, nach dem Mittagessen zu kommen. Oh, sie werde gerne warten, versicherte Zeno, sie habe nichts zu tun, und ob der Korporal nicht einmal nach dem Ksar kommen wolle. Sie werde ihm Tee bereiten und Kuskus. Lös nickte, er hörte nur halb zu, denn aus dem Posten winkte mit feierlicher Gebärde der Sergeant-Major Dupont.
    Narcisse Arséne de Pellevoisin, so behauptete Dupont, sei sein Name, und nur wegen geringfügiger Differenzen mit seiner Familie habe er seinen wirklichen Namen abgetan. Aber von den Sergeanten, die ihm nahestanden, weil sie ihn hofierten, ließ er sich gerne Narcisse nennen. Dieser

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