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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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den Fenstern ihrer Palais auf die Straße geworfen zu haben, was kümmerte es ihn, ob diese Bande arretiert worden war? Jetzt galt es, mit Schilasky zu rivalisieren, dessen Sauberkeit auszustechen und beim kleinen Korporal Allery von der zweiten Sektion für zwei Liter Wein in der Woche Französisch-Stunden zu nehmen. Denn auch Malek hatte den Ehrgeiz, die einfachen Schnüre eines »ersten Soldaten« (so wurden die Gefreiten genannt) gegen die doppelten eines Korporals einzutauschen.
    An jedem Marschtag wiederholte sich das gleiche Phänomen. Todd stellte es heute fest und versuchte es Schilasky klarzumachen, der aber wenig Interesse zeigte. Am Morgen beim Aufbruch lief jeder am anderen vorbei, das Durcheinander war wirklich ein Wirbel einzelner unzusammenhängender Teilchen. All diese menschlichen Teilchen arbeiteten jedes für sich, ohne Zusammenhang mit den anderen. Jeder sah im anderen nur die Störung, also den Feind. Die Gereiztheit war überspannt. In den ersten Stunden des Marsches hielt sich diese Stimmung. Jeder ritt für sich, marschierte für sich. Erst, wenn die Müdigkeit sich einstellte, die Sonne stärker brannte und der Durst mit staubigen Fingern über die Lippen fuhr, erinnerten sie sich nach und nach, daß sie nicht allein waren. Ein Anlehnungsbedürfnis entstand. Man tauschte einzelne Worte, vorsichtig und mißtrauisch, wie Markensammler seltene Doubletten austauschen. Bei der fünften, bei der sechsten ›Pause‹, wenn der Mittag nahte, der schwere, und mit ihm die große Rast, wurden die Worte zahlreicher. Korporal Pierrard steckte dann wohl eine Zigarette unter seinen Gallierschnurrbart, und Samaroff, der stets auf dem Hund war, bat den Korporal um das Mégot. Pierrard nickte dann gnädig und schlug einen Handel vor: »Drei Zigaretten für einen Quart Wein, zahlbar mittags oder abends.« In Samaroff kämpfte das Bedürfnis nach Nikotin gegen das Bedürfnis nach Alkohol. Das Nikotin siegte. Es war noch weit bis zum Abend, und vielleicht vergaß Korporal Pierrard zu reklamieren. Aber die andern verfolgten den Handel mit Spannung. Ein Handel ist ja nie ganz einwandfrei, aber spannend ist er stets.
    Da erschien der Capitaine und hüpfte im Sattel zum harten Trab seiner feisten Stute. Er rief nach Samotadji, beide ritten davon. Nun wurden alle Gesichter in der Kolonne lebendig. Der Capitaine suchte einen Platz zum Kampieren. Zuletzt war nur noch Samotadjis zurückgewandtes, triumphierendes Gesicht zu sehen, als sei er der Anlaß der bevorstehenden Rast – und sein Bart wehte, einem goldbestickten Wimpel gleich.
    In der Ferne tauchte ein weißes Viereck auf. Zuerst war es nur eine verkürzte schimmernde Platte. Dann hoben sich die Mauern ab, Schatten zeichnete kubische Muster. Ein Posten – wie die anderen, die unzählbaren, welche das Land überzogen, gleich einem Netz, dessen Fäden unsichtbar sind –, die Knotenpunkte aber leuchten desto heller. Hinter dem Posten türmten sich gelbe Lehmwürfel übereinander. Ein unwahrscheinlich grünes Band zog sich durch die Ebene, es war ein Grün, wie man es sonst nur auf schlecht kolorierten Postkarten sieht: Dattelpalmen, die einen Oued einsäumten. Und giftig stach dieses Grün ab gegen den zyanenen Himmel.
    In zehn Minuten stand das Lager. Nur die Maultiere wurden abgesattelt und angepflockt. Es sei nicht nötig, Zelte aufzubauen, die Bäume gäben Schatten genug, hatte Chabert verkündet. Im nahen Dorf hatte er acht Schafe gekauft, auch Kartoffeln. Lartigue fand einige Tauben und Hühner. Diese Verschwendung entlockte dem Capitaine ein mißgünstiges Grunzen; doch bald ging es über in ein ›bon, bon‹, als der Leutnant erklärte, daß dieser Einkauf doch für sie beide, für Chabert und für Lartigue, bestimmt sei…
    »Wissen Sie«, sagte Chabert, als sie wieder im Lager waren, und sprach so laut, daß alle ihn verstehen konnten, »wenn man Junggeselle ist wie Sie, kann man sich eine solche Verschwendung leisten. Aber ich, der ich fast meinen ganzen Sold meiner Frau schicken muß…« Er breitete die dicken Arme aus wie ein Gekreuzigter und ließ sie dann gegen die ausgewaschene Uniform fallen.
    Der wichtigste Augenblick des Tages war da: das Brot wurde verteilt und der Wein. Beides hatte der Posten geliefert, in dem eine Kompagnie Tirailleurs und eine Schwadron Spahls lagen. Das Brot war daher frisch und der Wein weniger sauer als die letzten Tage, da ihn die kleinen Fässer liefern mußten, die an den Tragsätteln den ganzen Tag in der Sonne

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