Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
fassen, und dann… niemand versteht sie. Todd ärgerte sich, daß er die Geschichte der kleinen Diseuse erzählt hatte. Unwürdige Geschwätzigkeit war es, nichts weiter, mit dem undeutlichen Wunsch, den anderen zum Reden zu bringen. Es war auch noch etwas anderes. Koribout hatte es eine Beschwörung genannt oder so ähnlich, dies Gedichtesprechen. Es beruhigte ein wenig und ließ die Spannung abflauen.
    Der Weg war steil. Todd sah auf die Vorderfüße seines Tieres. Ganz vorsichtig betastete der rechte Vorderhuf einen Stein, ob er nicht rutsche, dann, mit einem Ruck, zog sich der Körper an dieser Stütze nach. Es war viel Sicherheit in diesen Bewegungen. Und ich habe keine Sicherheit, dachte Todd. Aber es bedrückte ihn wenig. Er war zufrieden, daß keine Entschlüsse mehr von ihm verlangt wurden, daß der Tag in einer vorgeschriebenen Art gelebt werden konnte, mit Sattelaufschnallen, Reiten, Wasserholen, Marschieren, Zeltaufbauen und Schlafen. Wenn die Erinnerungen quälend wurden, gab es am Abend den Wein, der kein Genußmittel war, sondern eine saure Notwendigkeit: der Müdigkeit nimmt er das Peinigende, gibt der leeren Gegenwart einen Inhalt und dem Körper, der nicht mehr weiß, was Lust ist, eine seltsame Art Wohlbehagen.
    Die Sonne war schon hoch, als die Kolonne zum viertenmal hielt. Sie war auf der Höhe angelangt. Diesmal hob Capitaine Chabert beide Arme zum Himmel und machte eine Zeitlang Freiübungen. Das bedeutete einen längeren Halt. Als er endlich vom Pferde sprang, saßen schon alle am Wegrand, die Zügel der Maultiere leicht um das Handgelenk geschlungen. Korporal Pierrard ging den Sitzenden entlang und verteilte Speckscheiben. Schweigsames Schmatzen. Die Maultiere rissen Gras aus und kauten blasiert. Dann standen sie wieder still mit gesenkten Köpfen und halbgeschlossenen Augen.
    Ganz hinten in der vierten Sektion saß Pausanker neben dem Sergeanten Farny. Der Junge hatte sich verändert. Die Wangen waren grau im Schatten des Tropenhelms, aber rot schimmerten die Lippen, und in den Mundwinkeln standen winzige Bläschen. Farny hielt den steifen Blick auf eine Wolke geheftet, die wie ein einsamer Fesselballon regungslos über der Ebene stand. Manchmal packte er das Handgelenk seiner Ordonnanz, preßte es, ließ es wieder los. Dieses eigentlich grundlose Zucken (oder war es doch ein krampfhaftes Sich-bewußt-Machen, daß man Macht hatte?) wirkte auf Pausanker erschreckend. Das Kinn klappte herab, und dadurch bekam das Gesicht etwas Blödsinniges.
    Korporal Ackermann spazierte vorbei. Seite an Seite mit Korporal Seignac, dem Neger. Die Uniformen der beiden waren weiß vom vielen Waschen, die Wadenbinden saßen ohne Falten, auch die gelben Krawatten waren dreifach zusammengefaltet, wie es das Reglement vorschreibt, und so eng um den Hals gelegt, daß sie wie gebügelt wirkten.
    Seignac hatte es nicht leicht als Schwarzer, obwohl er gar nicht negerhaft aussah. Seine Lippen waren schmal und die Backenknochen so weit zurückgelagert, daß die edel geformte Nase deutlich sichtbar blieb. Er sprach ein fehlerloses Französisch und einige Worte deutsch; wohl aus diesem Grunde und vielleicht auch, weil Seignac einmal zwei Monate auf der ›Bremen‹ als dritter Steward gedient hatte, protegierte ihn Ackermann.
    Das einzige, was man Korporal Seignac vorwerfen konnte, war seine übertriebene Korrektheit. Er spielte den Gentleman, spielte ihn allzu gut, so gut, daß er damit den anderen auf die Nerven fiel und sie in einen begreiflichen Protest hineintrieb, der sich in Hohn, Rippenstößen und sonstigen Naturburschenallüren kundtat. Aber Seignacs Phlegma war nicht zu erschüttern: er gab seine Befehle, führte sie selber aus, wenn er auf Weigerungen stieß, sprach selten und lernte in seiner freien Zeit englische Wörter aus einem alten roten Diktionär. Die Aussprache, die er den Wörtern gab, war bisweilen phantastisch, und Korporal Smith, der Schneider, der ebenfalls keine Rassenvorurteile kannte, korrigierte ihn geduldig.
    Als Ackermann mit seinem Gefährten am Sergeanten Farny vorbeiging, sah er zuerst nicht zur Seite. Doch Farnys kompakter Blick war ein Hindernis, das den Deutschen aufhielt – und nun mußte er nach der Störung schauen. Ekel zog Falten in sein Gesicht – denn Pausankers Haltung gab Grund genug zu ehrlichem Widerwillen.
    »Schau«, sagte Ackermann und stieß Seignac mit dem Ellbogen an. Der Schwarze nickte. Und aus Freundschaft für Ackermann legte auch er sein Gesicht in angewiderte

Weitere Kostenlose Bücher