Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
dem Mittagessen zu einem Spaziergang abholen, so hatten sie’s bisher immer gehalten. Er ging nicht zu ihr, er ließ ihr mitteilen, er habe Kopfschmerzenund komme nicht zum Mittagessen. Er holte das Bild hervor, die »Himmelfahrt«, die »Lüge«. Es war fertig, es bedurfte keines Striches mehr. Er war auch nicht im rechten Mut zur Arbeit, der Solano quälte ihn, er hatte das Gefühl, es stehe wieder schlechter um sein Gehör. Er räumte die Leinwand fort. Setzte sich an den Sekretär, begann einen Brief zu entwerfen. Er dachte: Der Alte hielt sich einen Hofnarren, sie hält sich ihren Hofmaler. Aber ich spiele nicht mehr mit. Er entwarf einen Brief an den Hofmarschall, einen zweiten an die Akademie, um seine Rückkehr nach Madrid mitzuteilen. Ließ den Entwurf liegen, schrieb ihn nicht ins reine.
    Am Nachmittag kam sie, sie hatte ihren lächerlichen Hund mit. Tat, als wäre nichts gewesen, war liebenswürdig, beinahe heiter. Bedauerte, daß er sich nicht wohl fühle. Warum er denn nicht Peral zu Rate gezogen habe? »Es ist nichts, wobei Peral mir helfen könnte«, sagte er, finster. »Schick deinen San Adrián fort!« verlangte er. Sie sagte: »Sei vernünftig! Du weißt, daß ich ihn nicht beleidigen werde, bloß weil du übler Laune bist.« – »Schick ihn fort!« beharrte er. Sie sagte: »Warum willst du mir in meine Dinge einreden? Du weißt, daß ich das nicht vertrage. Ich habe dir nie eingeredet, ich habe dir nie gesagt: Tu das oder laß jenes.« Diese ungeheure Frechheit erbitterte ihn. Sie hatte alles von ihm verlangt, was ein Mensch vom andern fordern kann, die grauenvollsten Opfer, und da stand sie und erklärte unschuldig: »Hab ich jemals was von dir verlangt?«
    Er sagte: »Ich gehe nach Jerez, ich male die Serafina.«
    Sie saß ruhig da, sie hatte das Hündchen auf dem Schoß. »Es trifft sich gut«, sagte sie, »daß du jetzt weg willst. Ich gehe nämlich auch auf ein paar Tage fort. Ich besuche einige meiner Güter, ich will meinen Pächtern auf die Finger schauen. Don Juan begleitet mich und hilft mir mit seinem Rat.« Seine Unterlippe schob sich gewalttätig vor, die tiefliegenden, braunen Augen verdunkelten sich. »Ich gehe nicht auf ein paar Tage fort«, erwiderte er, »und meinethalb brauchst du nicht zu verreisen. Bleib du ruhig hier mit deinem Zierbengel. Ich störedich nicht länger. Von Jerez gehe ich zurück nach Madrid.« Sie stand auf, das Hündchen kläffte, sie wollte etwas Heftiges erwidern. Sie sah sein massiges Gesicht, die Augen brannten daraus hervor, ganz schwarz, man sah kaum mehr das Weiße. Sie bezwang sich. »Es wäre sehr töricht, Francisco«, sagte sie, »wenn du nicht nach Sanlúcar zurückkehrtest, und ich würde es sehr bedauern.« Und da er schwieg, bat sie: »Sei vernünftig. Du kennst mich. Verlange nicht, daß ich mich ändere. Ich kann es nicht. Laß mir die vier, fünf Tage, nimm du dir die gleiche Zeit. Und dann komm zurück, und ich werde dasein, allein, und es wird alles sein, wie es war.«
    Er starrte sie noch immer an, haßerfüllt. Dann sagte er: »Ja, ich kenne dich«, und er holte das Bild hervor, die »Himmelfahrt«, die »Lüge«, und er stellte das Bild auf die Staffelei.
    Cayetana sah sich fliegen, leicht, anmutig, reinen, tief unschuldigen Gesichtes, und das war ihr Gesicht. Sie bildete sich nicht ein, sehr viel von Malerei zu verstehen, aber das sah sie: einen wüstern Schimpf hatte ihr noch keiner angetan, nicht María Luisa, keiner. Dabei hätte sie nicht sagen können, woran es lag. Oder doch, sie wußte es. Es waren die drei Männer, die er ihr gegeben hatte, gerade diese drei, und warum Don Manuel? Er wußte genau, wie widerwärtig ihr dieser Manuel war, und gerade den gab er ihr zum Hexensabbatgenossen. Ich bin in die Verbannung gegangen seinethalb, wütete es in ihr. Ich hab mich von ihm malen lassen wie niemals eine Grandin von einem lumpigen Maler. Und dann behandelt er mich so.
    Auf seinem Arbeitstisch lag ein Schabmesser. Sie nahm es, nicht einmal schnell, und mit kräftiger Bewegung schnitt sie die Leinwand schräg durch, von oben bis unten. Er stürzte auf sie los, packte mit der einen Hand sie, mit der andern das Bild. Das Hündchen lief ihm zwischen die Füße, kläffend. Staffelei und Bild krachten auf lächerliche Art zu Boden.
    Heftig atmend standen beide.
    Ruhig dann, hochmütig, wie nur
    Sie es konnte, sprach die Alba:
    »Ich bedaure, daß das Bild zu
    Schaden kam. Nennen Sie, bitte,
    Ihren Preis. Man wird –« Sie sprach

Weitere Kostenlose Bücher