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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wein, dreizehnjährigem, von dem er nur mehr sieben Flaschen habe, für sich selber und für besonders zu ehrende Gäste, er brachte eine dieser Flaschen. Goya und Agustín tranken schweigsam.
    Auch auf der Rückreise sprachen Francisco und Agustín nicht viel. Nur einmal ging Goya aus sich heraus, unvermutet, und sagte mit einer Art grimmiger Genugtuung: »Da siehst du es, wohin es führt, wenn man sich auf Politik einläßt. Hätte ich es gemacht, wie ihr es wolltet, dann wäre ich längst verfault in den Kerkern des Heiligen Offiziums.«
    Doch in seinem Herzen plante
    Er: jetzt grade wird das Heil’ge
    Tribunal er malen, wird es
    Zeichnen in der Stille seiner
    Werkstatt, der Ermita, wird die
    Inquisition so zeichnen,
    Wie sie wirklich ist, die Pfaffen,
    Die Frailucos, wie sie satt und
    Lustvoll zuschaun, wenn ihr Sünder
    Qualvoll in der Falle sich ver-
    Zappelt. Auch den Garrotierten
    Wird er nochmals zeichnen, wahrer
    Zeichnen. Auch El Coco wird er
    Zeichnen, das Gespenst, den Kinder-
    Schreck, den Alptraum, jenen Schwarzen
    Mann, den es nicht gibt und den es
    Doch gibt.

15
    Als er in Madrid anlangte, sagte ihm sein Sohn Javier, die Herzogin von Alba habe nach ihm geschickt. Sie wohne wieder in ihrem Palacete Buenavista in Moncloa; es lag aber Goyas neues Haus, die Quinta, sehr nahe diesem kleinen Landsitz. Francisco wußte nicht, ob und wieweit Javier unterrichtet war von seinen Beziehungen zu Cayetana. Er bezwang sich, er schluckte, er sagte möglichst beiläufig: »Danke, mein Junge.«
    Er hatte geglaubt, die unheimliche Herrschaft Cayetanas über ihn sei zu Ende; nur Bilder seien geblieben, Träume, gute und bedrohliche, doch immer an der Kette der Vernunft. Das war auch so gewesen, solange sie in Italien war, durchs Meer von ihm getrennt. Nun er sie aber mit einem kurzen Gang erreichen konnte, war die Kette, an die er die Träume gelegt hatte, zerrissen.
    Er meldete sich nicht bei Cayetana. War beinahe immer in der Ermita, in seinem einsamen Atelier. Versuchte zu arbeiten. Aber die Gesichte von Tarragona waren verblaßt. Nurdie furchtbaren Träume von Sanlúcar waren da. Er saß hilflos, voll elender Sehnsucht, in der Glocke seiner Stummheit.
    Plötzlich stand Doña Eufemia vor ihm. Schwarz und würdig stand sie da, unverändert, erfüllt von höflichem Haß, trotz ihres alterslosen Aussehens uralt. »Die Jungfrau beschütze Euer Exzellenz«, sagte sie. »Sie machen es einem nicht leicht, Ihnen eine Botschaft zu überbringen«, und mißbilligend schaute sie sich um in dem ärmlichen, schlecht aufgeräumten Atelier. Er wußte nicht, ob er sie verstanden hatte, er war zu erregt. »Sie müssen mir aufschreiben, was Sie mir zu sagen haben, Doña Eufemia«, antwortete er heiser. »Ich höre nämlich noch schlechter als früher, ich bin sozusagen stocktaub.« Doña Eufemia schrieb ihm ihre Botschaft auf; während sie schrieb, meinte sie: »Ich habe es Ihnen immer gesagt, Herr Erster Maler, daß es nicht gut ausgehen kann, wenn Sie so viel höllisches Zeug machen.« Er antwortete nicht. Las die Botschaft, aufmerksam. Erwiderte, er erwarte also Doña Cayetana morgen abend um halb acht Uhr. »Hier in dem Atelier an der Calle San Bernardino«, sagte er, sehr laut.
    Er zog sich besonders sorgfältig an für diesen Abend, und er verhöhnte sich selbst. Er war lächerlich mit seinem eleganten Anzug in diesem Atelier, das schlampig und kärglich möbliert war wie in den Zeiten seiner Armut, ein Raum nur zum Arbeiten und Experimentieren. Warum hatte er Cayetana gerade hierher bestellt? Es war eine läppische, jungenhafte Herausforderung, er hatte es gewußt, das Gesicht Doña Eufemias hatte es ihm bestätigt, und er hatte es doch getan. Und wird sie überhaupt kommen? Wußte sie, hatte sie sich klargemacht, wie er sich verwandelt hatte? Wird ihr’s die Dueña nicht sagen, daß er ein tauber, grämlicher, alter Mann geworden ist, versponnen in kauzige Träume?
    Es war halb acht, es war zehn Minuten später. Wer nicht kam, war Cayetana. Er überlegte, wie ihr Leben in der Zwischenzeit gewesen sein mochte, mit dem hoffnungslos verliebten, sie stumm bedrängenden Peral, mit italienischen Kavalieren, die noch frivoler waren als die spanischen. Er lief zurTür, schaute vor die Tür, vielleicht stand sie da und klopfte und hatte vergessen, daß er nicht hörte, da sie ja immer nur mit sich selber befaßt war. Er ließ die Tür ein wenig offenstehen, damit Licht hinausfalle. Es war acht Uhr, und sie war nicht da, und nun kam

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