Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Cayetana. Er wartete. In großer Welle stürzte seine Leidenschaft über ihn, er war angefüllt mit schwarzer Wut.
Endlich kam sie. Aber sie war nicht allein, sie war in Gesellschaft Doktor Perals, des Arztes.
Sie sagte: »Ich habe Sie entbehrt, Francho.« Sie schauten einander an, heiß, schamlos, glücklich, als wäre es ein Wiedersehen nach der Ewigkeit.
Dann stand sie vor den Bildern. Ihre großen, metallischen Augen unter den hohen, stolzen Brauen nahmen sein Werk in sich auf; kindlich aufmerksam, hingegeben, schaute sie. Er war geschwellt von Lust und Stolz. Mehr konnte einem das Leben nicht geben. Hier hatte er zwischen seinen Wänden, auf engstem Raum vereint, das Werk, das nur er machen konnte, und die Frau, die einzige, die für ihn bestimmte.
»Ich möchte mittun«, sagte sie. Er verstand sogleich, und tiefe Freude füllte ihn. Genau das hatte er gespürt und hatte er spüren machen wollen. »Mittun« hatte er wollen in dem Stierkampf, in dem Karneval, sogar in dem Inquisitionsgericht. Mehr als das: wenn einen nicht auch vor dem Irrenhaus das dunkle Verlangen packte, selber einmal alles los zu sein, Kleider, Sitte, Vernunft, dann hatte er umsonst gemalt, dann waren seine Bilder Versager. »Ich möchte mittun.« Sie, Cayetana, hatte es gespürt.
Den Doktor Peral hatten sie vergessen. Nun meldete er sich. Mit seiner gelassenen Stimme sprach er: »Was Sie da gesagthaben, Duquesita, ist weiser, als was die Kunstgelehrten in dicken Büchern von sich geben.« Daß dieser Bursche sie mit frecher Vertraulichkeit »Duquesita« nannte, »kleine Herzogin«, riß Francisco jäh aus seinem Glück. Wie stand es zwischen den beiden? »Was ich am meisten bewundere«, wandte sich jetzt Peral an Francisco, »ist, daß Ihre Malerei trotz des düstern Inhalts so unschwer ist, so locker, ich möchte beinahe sagen: heiter. Doña Cayetana hat durchaus recht: wie Sie es malen, Don Francisco, hat das Grausige etwas Verlockendes.« Und unvermittelt schloß er: »Würden Sie mir eines der Bilder verkaufen, Don Francisco?«
In seinem Innern hatte Goya ein grimmiges Lächeln. Dieser Peral hatte Sinn für seine Bilder, das mußte man ihm lassen, er war kein Stumpfhirn wie die Pepa. Trotzdem antwortete er geradezu grob: »Ich bin sehr teuer, Doktor.« Peral, sehr höflich, erwiderte: »Ich bin nicht ganz arm, Herr Hofmaler.« Die Herzogin aber, in ihrer freundlichen und bestimmten Art, befahl: »Überlassen Sie mir zwei der Bilder, Francisco.«
Goya wütete. Lächelnd, besonders liebenswürdig, sagte er: »Erlauben Sie mir, Ihnen zwei der Bilder zum Geschenk zu machen, amiguita de mi alma«; mit diesem »liebe, kleine Herzensfreundin« mußte er dem »Barbier« seine Duquesita heimzahlen. »Es steht dann bei Ihnen, die Bilder zu verschenken.« – »Danke«, sagte ruhig und freundlich die Alba.
Der Kunstsammler Peral, unbewegt von Goyas Grobheit, erfreut, daß er eines oder vielleicht sogar zwei der Bilder haben sollte, schwärmte weiter. »Diese Bilder«, erklärte er, sichtlich mit Überzeugung, »sind die ersten Schöpfungen einer neuen Kunst, die ersten Bilder des kommenden Jahrhunderts. Wie man sich zu diesem Menschen hingezogen fühlt«, meinte er vor dem Ketzer der »Inquisition«. »Es ist Wahnwitz, aber Sie haben ganz recht, Doña Cayetana, man möchte an seiner Stelle sein.«
Er riß sich los, und, noch angeregt, erzählte er: »Ihr Gefühl, Don Francisco, wird durch Tatsachen der Geschichtebestätigt. Es gab Judaisantes, Judenzer, Marranen, die vielleicht noch hätten entfliehen können, aber sie blieben im Bereich der Inquisition, sie warteten darauf, von ihr geholt zu werden. Es muß sie gelockt haben, in einem solchen Sambenito dazusitzen.« – »Sie sind merkwürdig vertraut«, sagte böse Goya, »mit den Gefühlen von Judenzern. Nehmen Sie sich in acht, daß die Inquisition nicht Sie selber für einen hält.« – »Woher kann ich wissen«, meinte ruhig Doktor Peral, »ob ich nicht wirklich jüdisches Blut in mir habe? Wer von uns allen kann das mit Sicherheit behaupten? Soviel ist gewiß: Juden und Mauren haben die besten Ärzte hervorgebracht. Ich habe viel aus ihren Werken gelernt. Ich bin froh, daß ich sie im Ausland habe studieren können.« Goya mußte sich zugeben, daß es mutig war, nach dem Sturz des Olavide solche Worte zu äußern, und sein Verdruß nahm zu.
Bald darauf überbrachte man der Señora Doña Josefa Bayeu de Goya aus der Schatzkammer der Alba mit den Grüßen der Herzogin eine Sendung
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