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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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schlafenden Jungs mit einer Taschenlampe in die Augen, machten Zuggeräusche, schrien »Weg da! Runter von den Schienen!«, und amüsierten uns darüber, wenn sie aus dem Bett sprangen. Und ich erinnerte mich an zwei Jungs, die die anderen schikanierten und sie »Homos« nannten. Als die beiden nachts fest schliefen, nahmen wir einen, zogen ihn aus und legten ihn zu dem anderen ins Bett. Am Morgen fanden die anderen Jugendlichen sie zusammen im gleichen Bett. Die Schikanen hörten schlagartig auf.
    Eine Mega-Sahneschnitte zu fesseln und sie eine Weile im Wald liegen zu lassen … das lag durchaus im Bereich des Möglichen.
    »Aber dann ist es richtig schiefgegangen«, sagte Mrs Perez.
    Ich wartete. Eine Träne löste sich aus Mrs Perez’ Augenwinkel. Sie griff in ihre Handtasche und holte ein Papiertaschentuch heraus. Sie tupfte sich die Augen ab und unterdrückte weitere Tränen.
    »Wayne Steubens hat eine Rasierklinge gezogen.«
    Ich glaube, meine Augen weiteten sich ein wenig, als sie das sagte. Ich hatte die Szene fast vor Augen. Ich sah die fünf da draußen im Wald, konnte mir ihre Gesichter vorstellen und die Überraschung, die darin lag.
    »Wissen Sie, Margot hatte sofort gemerkt, was da los war. Sie hat einfach mitgespielt. Sie hat sich von Gil fesseln lassen. Dann hat sie angefangen, meinen Sohn zu verspotten. Sie hat sich über ihn lustig gemacht und gesagt, dass er nicht weiß, wie man mit einer richtigen Frau umgeht. Das sind die Beleidigungen, wie Frauen sie Männern zu allen Zeiten immer wieder an den Kopf geworfen haben. Aber Gil hat gar nichts gemacht. Was hätte er auch tun sollen? Aber plötzlich hatte Wayne eine
Rasierklinge in der Hand. Gil hat erst noch gedacht, dass das mit zum Spiel gehörte. Um ihr Angst einzujagen. Aber Wayne hat keine Sekunde gezögert. Er ist zu Margot gegangen und hat ihr von einem Ohr zum anderen die Kehle aufgeschnitten.«
    Ich schloss die Augen und sah das alles vor mir. Ich sah, wie die Klinge die junge Haut durchtrennte, wie das Blut sprudelte, wie ihre Lebenskraft schwand. Ich überlegte. Als Margot Green grausam abgeschlachtet wurde, habe ich nur ein paar hundert Meter entfernt meine Freundin geliebt. Wahrscheinlich lag eine gewisse Ironie darin, dass die schrecklichste und die wundervollste Tat, die ein Mensch begehen konnte, so nah beieinander geschahen, aber der Gedanke war jetzt schwer fassbar.
    »Im ersten Moment hat sich keiner gerührt. Sie standen alle nur da. Dann hat Wayne sie angelächelt und gesagt: ›Danke für die Hilfe.‹«
    Ich runzelte die Stirn, fing aber langsam an zu begreifen. Camille hatte Margot rausgelockt. Gil hatte sie gefesselt …
    »Dann hat Wayne die Klinge gehoben. Gil hat gesagt, alle hätten gesehen, dass Wayne Spaß an dem hatte, was er getan hat. Sie haben es daran gesehen, wie er Margots Leiche angestarrt hat. Er war in einem Rausch. Er ist auf sie zugekommen. Und sie sind alle geflohen. Alle in verschiedene Richtungen. Wayne hat sie verfolgt. Gil ist viele Kilometer weit gelaufen. Ich weiß nicht, was dann genau passiert ist. Wir haben nur ein paar Vermutungen. Wayne hat Doug Billingham eingeholt. Er hat ihn ermordet. Aber Gil ist davongekommen. Und Ihre Schwester auch.«
    Die Krankenschwester kam zurück.
    »Entschuldigung, Mr Copeland. Ich muss jetzt bei Ihnen den Puls und den Blutdruck messen.«
    Ich nickte, dass sie reinkommen konnte. Ich musste wieder zu Atem kommen. Mein Herz raste. Schon wieder. Wenn ich mich nicht langsam mal beruhigte, behielten die mich für immer hier.

    Die Krankenschwester arbeitete schnell und ohne zu reden. Mrs Perez sah sich im Zimmer um, als ob sie gerade erst hereingekommen wäre und jetzt erst gemerkt hätte, wo sie war. Ich hatte Angst, dass die Verbindung zerriss, die zwischen uns entstanden war.
    »Ist schon okay«, sagte ich zu ihr.
    Sie nickte.
    Die Krankenschwester war fertig. »Sie werden heute Vormittag entlassen.«
    »Prima.«
    Sie lächelte kurz und ging. Ich wartete, bis Mrs Perez fortfuhr.
    »Gil war natürlich völlig verängstigt. Das kann man sich ja auch vorstellen. Und Ihre Schwester genauso. Sie müssen es aus ihrer Sicht sehen. Sie waren jung. Sie wären fast ermordet worden. Sie hatten gesehen, wie Margot Green abgeschlachtet worden war. Aber vor allem hatten sie Waynes Worte noch im Ohr. ›Danke für die Hilfe.‹ Verstehen Sie?«
    »Er hat sie zu seinen Komplizen gemacht.«
    »Ja.«
    »Und was haben sie dann gemacht?«
    »Sie haben sich versteckt. Für mehr als

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