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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wie der sprichwörtliche Blitz traf.
    Ich erstarrte. Ich rührte mich wirklich nicht mehr, sondern saß einfach nur regungslos da. Das fiel selbst Cara auf.
    »Daddy?«
    »Einen Moment, mein Mäuschen.«
    Ich rannte nach oben. Das Haus erzitterte unter meinen Schritten. Wo zum Teufel waren diese Rechnungen aus dem Verbindungshaus?
    Ich fing an, das Zimmer auseinanderzunehmen. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich sie gefunden hatte – nach dem Meeting mit Chamique und ihrem Anwalt hatte ich sie schon wegwerfen wollen.
    Ja, da waren sie.
    Ich blätterte sie durch. Der Internetprovider, dann die monatlichen Abbuchungen. Dann griff ich zum Telefon und wählte Muses Nummer. Sie meldete sich nach dem ersten Klingeln.
    »Was gibt’s?«
    »Als Sie auf der Uni waren«, fragte ich, »wie oft haben Sie da die Nacht durchgearbeitet?«
    »Mindestens zweimal die Woche.«
    »Wie haben Sie sich wach gehalten?«
    »M&Ms. Große Mengen. Die orangefarbenen sind Amphetamine, das schwöre ich.«
    »Besorgen Sie sich so viele, wie Sie brauchen. Die Unkosten kriegen Sie erstattet.«
    »Ihr Ton gefällt mir, Cope.«
    »Ich hab eine Idee, aber ich weiß nicht, ob die Zeit noch reicht.«

    »Über die Zeit machen Sie sich mal keine Sorge. Worum geht’s denn?«
    »Es betrifft unsere Freunde Cal und Jim«, sagte ich.

17
    Ich suchte Rasierwasser-Anwalts Privatnummer raus und weckte ihn.
    »Unterschreiben Sie die Papiere nicht vor morgen Nachmittag«, sagte ich.
    »Wieso?«
    »Weil ich sonst dafür sorgen werde, dass meine Behörde Ihnen und Ihren Mandanten aufs Dach steigt. Ich werde verbreiten lassen, dass wir mit Horace Foley keine Vergleiche schließen und immer darauf bedacht sind, dass seine Mandanten mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden.«
    »Das können Sie nicht machen.«
    Ich sagte nichts.
    »Ich bin verpflichtet, im Sinne meiner Mandantin zu handeln.«
    »Sagen Sie ihr, dass ich um einen Aufschub gebeten habe und dass es in ihrem eigenen Interesse ist.«
    »Und was soll ich der Gegenpartei sagen?«
    »Ach, was weiß ich, Foley, finden Sie irgendeinen Fehler in der Vereinbarung, oder so. Aber halten Sie sie auf jeden Fall bis zum Nachmittag hin.«
    »Und inwiefern ist das Ganze im Interesse meiner Mandantin?«
    »Wenn ich Glück habe und einen Treffer lande, können Sie neu verhandeln. Bringt Ihnen mehr Knete.«
    Er schwieg einen Moment. Dann sagte er ruhig: »Hey, Cope?«

    »Was ist?«
    »Die ist schon ein bisschen merkwürdig. Chamique, meine ich.«
    »Wieso?«
    »Die meisten Mädchen in ihrer Situation hätten das Geld sofort genommen. Aber sie musste ich schon fast dazu drängen, denn, wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie auch zugeben, dass es für sie am besten ist, wenn sie sofort zugreift. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Aber Chamique wollte nichts davon hören, bis Flair sie gestern mit dieser Jim/James-Geschichte in die Ecke getrieben hat. Vorher war sie nämlich, trotz allem, was sie in der Verhandlung gesagt hat, viel mehr darauf aus, die beiden ins Gefängnis zu bringen als das Geld zu kassieren. Sie wollte wirklich Gerechtigkeit.«
    »Und das überrascht Sie?«
    »Sie sind neu in diesem Job. Ich mach das schon seit siebenundzwanzig Jahren. Man wird mit der Zeit zum Zyniker. Also war ich verdammt überrascht, ja.«
    »Würden Sie mir verraten, aus welchem Grund Sie mir das erzählen?«
    »Aber klar doch. Was ich von diesem Prozess will, das wissen Sie. Ich will mein Drittel vom Schmerzensgeld. Bei Chamique ist das was anderes. Das Geld kann ihr Leben verändern. Also, was Sie auch machen, Herr Staatsanwalt, versauen Sie ihr das nicht.«

    Lucy trank allein.
    Es war Nacht. Lucy wohnte in einer universitätseigenen Wohnung auf dem Campus. Die Unterkünfte waren mehr als deprimierend. Die meisten Professoren arbeiteten lange und hart und sparten das Geld in der Hoffnung, irgendwann vom Campus wegziehen zu können. Lucy war vor einem Jahr hier eingezogen.
Vorher hatte Amanda Simon, eine Englisch-Professorin, drei altjüngferliche Jahrzehnte in ebendieser Wohnung verbracht. Dann war sie mit achtundfünfzig an Lungenkrebs gestorben. Ihr Vermächtnis hatte sie in Form eines rauchigen Dufts hinterlassen. Obwohl Lucy die Teppichböden rausgerissen und die ganze Wohnung frisch gestrichen hatte, war sie den Zigarettengeruch nicht los geworden. Manchmal kam es ihr vor, als wohnte sie in einem Aschenbecher.
    Lucy war Wodkatrinkerin. Sie sah aus dem Fenster. In der Ferne lief irgendwo Musik. Sie war auf einem

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