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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Beverfjord
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Kücheneinrichtung und die schwarzen Badezimmerfliesen selbst aussuchen dürfen. Die großen Fenster gingen zum Alexander Kiellands plass hinaus.
    Agnes schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf das graumelierte Sofa. Ihre Eltern hatten nicht nur die Wohnung, sondern auch die Einrichtung bezahlt, als sie vor drei Jahren auf der Journalistenschule angefangen hatte. Sie hatten ihr unbedingt eine Eigentumswohnung kaufen wollen, obwohl sie nicht sonderlich reich waren. Der Vater war Politiker und saß im Gemeinderat der Sozialistischen Linkspartei. Die Mutter arbeitete als Gymnasiallehrerin. Aber sie hatten nur ein Kind und bestanden darauf, Agnes ihr Erspartes zu geben und ein Darlehen aufzunehmen.
    Sie hatte alles hinter sich gelassen, ihre Familie, ihre Freunde und Johannes, ihren Freund. Er war zehn Jahre älter als sie und arbeitete als Arzt am Krankenhaus in Molde, wo er geboren und aufgewachsen war. »Sechs Jahre weg von zu Hause haben mir gereicht«, hatte er gesagt, als sie ihm erzählt hatte, dass sie nach Oslo ziehen wollte, um zu studieren und später dort zu arbeiten. Johannes hatte in Trondheim Medizin studiert und war danach zurückgekommen, um den Rest seines Lebens in der Sicherheit seiner Heimatstadt zu verbringen. »Du musst dich entscheiden«, hatte er zu ihr gesagt. »Fernbeziehungen sind nichts für mich.« Sie war wütend gewesen. Was erwartete er? Dass sie ohne Ziel und Sinn in Molde blieb, nur um ihn zufriedenzustellen? »Dann ist es aus«, hatte sie geantwortet. Und war gegangen. Sie empfand nichts mehr für ihn.
    Agnes ließ die Füße über die Sofalehne baumeln, versank in den Kissen und zappte zwischen den Sendern hin und her, eine dumme Unart, die sie sich angewöhnt hatte. Früher hatte sie abends Bücher gelesen, um einzuschlafen. Jetzt hockte sie vor dem Fernseher, bis sie einschlief oder gähnend ins Bett stolperte. Sie sah sich gerade eine Geschichtsdoku über den Heerführer Hannibal an, als ihr Handy klingelte. Sie fuhr zusammen, es war bereits nach elf. Der Anruf kam von Ester.
    Â»Du lebst!«, rief Agnes.
    Â»Ich kann nicht lange reden. Hast du den Karton gefunden?«
    Â»Ja, aber wo steckst du denn? Warum bist du untergetaucht?«
    Ester wirkte gestresst, und ihre Stimme bebte, als sie sagte: »Du musst gut auf den Karton aufpassen.«
    Â»Das sind doch Helles Filme, oder?«
    Â»Jetzt gehören sie mir. Ich erkläre dir das später.«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Ich kann jetzt nicht länger reden. Ich muss auflegen.«
    Â»Wo bist du?«
    Â»Untergetaucht, bei jemandem, dem ich vertraue.«
    Dann legte sie auf.
    Agnes konnte nach dem Gespräch nicht ins Bett gehen. Sie ging unruhig in der Wohnung auf und ab. Nach einer halben Stunde war ihr klar, dass sie Helles und Esters Spiel mitspielen musste, wenn sie etwas erfahren wollte.
    Entschlossen ging sie ins Schlafzimmer zum Kleiderschrank und holte ein silbernes Kleid und ein paar hochhackige schwarze Schuhe heraus. Sie löste den Pferdeschwanz, legte Lippenstift auf und warf einen Blick in den Spiegel, bevor sie nach ihrem Mantel griff und die Tür hinter sich zuzog. Dann ging sie zur Haltestelle, um auf den Bus zu warten, der sie zum Solli plass bringen würde.
    Die Freitagsschlange vor dem Hjørnet schien unendlich. Agnes tat ihr Bestes, um die Aufmerksamkeit der Türsteher auf sich zu lenken, bekam schließlich Blickkontakt und lächelte sie strahlend an. Nach einer halben Stunde wurde sie für ihre Mühe belohnt. Einer von ihnen winkte sie an der Schlange vorbei in das überfüllte Lokal.
    Agnes blieb lange im Eingangsbereich stehen, um alles auf sich wirken zu lassen. Das Interieur verströmte Luxus. Große Lampen aus Glas und Gold hingen von der Decke. Die Stühle und Bänke waren mit weißem Leder überzogen, und in die Wände waren beleuchtete Aquarien mit farbenprächtigen Fischen eingelassen.
    Sie bewegte sich zu der riesigen Tanzfläche hin. Dort war es voll, heiß und feucht. Drumherum waren Stahlrohre mit kleinen Tischen angebracht. Einige der Gäste waren auf die Tische geklettert und wanden sich um die Stangen, während sie sich im Takt der Musik wiegten. Die Kleider begannen zu fallen, viele tanzten in Unterwäsche. Agnes schlüpfte zwischen den verschwitzten nackten Oberkörpern hindurch, suchte jeden Quadratmeter ab in der Hoffnung, Ester zu sehen. Sie war

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