Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
Megadeth atmete schwer und blickte nicht einmal hoch, und wir mussten das Gesicht ins hohe Gras ducken, bis der Lachkrampf vorbei war.
    Dann wandte Sandra den Kopf, und sie sah mich an, direkt, zwischen den hohen Grashalmen hindurch. Megadeth küsste ihren Hals, und sie rührte sich nicht. Irgendwo dicht neben meiner Hand zirpte ein Grashüpfer. Ich sah wieder zu Sandra und spürte, wie mein Herz langsam gegen die Erde pochte.
    »Komm«, flüsterte Peter beschwörend, »los, Adam, nun komm«, und beide zerrten an meinen Knöcheln. Ich robbte rückwärts, zerkratzte mir die Beine an Brombeerranken, bis tief in den Schatten des Waldes. Sandra blickte mich noch immer an.

    Es kamen auch andere Erinnerungen, an die ich noch heute ungern denke. Ich erinnerte mich zum Beispiel, wie ich in unserem Haus die Treppe runterging, ohne die Stufen zu berühren. Ich habe das alles bis ins letzte Detail in Erinnerung: die gerippte Oberfläche der Tapete mit dem verblassten Rosenmuster; wie ein Lichtstrahl durch die Badezimmertür die Treppe hinunterschien, mit tanzenden Staubflocken darin, und den Lack des Geländers tief kastanienbraun schimmern ließ; das gekonnte Schnippen des Handgelenks, mit dem ich mich vom Geländer abstieß, um gelassen nach unten zu schweben, meine Füße zehn, fünfzehn Zentimeter über dem Teppich.
    Ich erinnerte mich auch, wie wir drei einen geheimen Garten fanden, im Herzen des Waldes. Hinter irgendeiner versteckten Mauer oder Tür hatte er gelegen. Wilde Obstbäume, Apfel, Kirsche, Birne; zersprungene Marmorbrunnen, Wasser, das noch immer über Pfade rann, die grün von Moos waren und sich tief in den Stein eingegraben hatten; wunderschöne, efeubehangene Statuen in jeder Ecke, die Füße von Unkraut überwuchert, Arme und Köpfe abgebrochen und im hohen Gras zwischen Wildblumen verstreut. Graues Dämmerlicht, das Rascheln unserer Füße und Tau auf nackten Beinen. Jamies Hand, klein und rosig auf den steinernen Falten eines Gewandes, den Blick nach oben in blinde Augen gerichtet. Die unendliche Stille. Mir war vollkommen klar, dass der Garten, wenn es ihn denn gegeben hätte, bei der ersten Erkundung der Gegend von den Archäologen gefunden worden wäre und die Statuen inzwischen im National Museum ständen und Mark sie uns in gewohnter Manier detailliert beschrieben hätte, aber das Problem war: Ich konnte mich trotzdem daran erinnern.

    Die Kollegen von der Computerfahndung riefen mich am frühen Mittwochmorgen an: Sie hatten den PC unseres letzten Trainingsanzug-Verdächtigen durchforstet und bestätigten, dass er tatsächlich online gewesen war, als Katy starb. Der arme Teufel wohnte zwar mit seinen Eltern und seiner Frau zusammen, und alle benutzten denselben PC, doch die E-Mails und Chatroom-Beiträge wiesen, wie die Kollegen mit einem gewissen Maß an professionellem Stolz hinzufügten, für jede Person typische Orthographie- und Interpunktionsfehler auf, sodass die Kommentare, die geschrieben wurden, als Katy starb, eindeutig unserem Verdächtigen zugeordnet werden konnten.
    »Verdammter Mist«, sagte ich, legte auf und vergrub das Gesicht in den Händen. Wir hatten bereits die Bänder der Überwachungskameras aus dem Burger King gesichtet. Darauf war der Verdächtige zu sehen, der den Nachtbus verpasst hatte, wie er mit der eisigen Konzentration eines Sturzbetrunkenen Pommes in Ketchup tunkte. Irgendwo tief im Innern hatte ich schon damit gerechnet, aber ich fühlte mich ziemlich gerädert – kein Schlaf, nicht genug Kaffee, bohrende Kopfschmerzen –, und es war einfach noch zu früh am Morgen, um zu erfahren, dass meine einzige vielversprechende Spur im Sande verlaufen war.
    »Was ist?«, fragte Cassie und blickte hoch.
    »Das Alibi von dem Motorradfreak ist wasserdicht. Wenn der Typ, den Jessica gesehen hat, unser Mann ist, dann ist er nicht aus Knocknaree, und ich habe keinen blassen Schimmer, wo ich nach ihm suchen soll. Ich kann wieder ganz von vorn anfangen.«
    Cassie warf einen Stoß Blätter hin und rieb sich die Augen. »Rob, unser Mann ist aus der Gegend. Alles deutet darauf hin.«
    »Aber wer zum Henker ist dann der Typ im Trainingsanzug? Wenn er für den Mord ein Alibi hat und er per Zufall irgendwann mal mit Katy gesprochen hat, wieso hat er sich dann nicht gemeldet?«
    »Vorausgesetzt«, sagte Cassie und schielte zu mir rüber, »er existiert tatsächlich.«
    Eine unverhältnismäßige Wut durchfuhr mich. »Entschuldige, Maddox, aber was soll das heißen? Dass Jessica sich die

Weitere Kostenlose Bücher