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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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die Handschellen zuschnappen lassen.
    Die Frauen, von denen ich träume, sind von der sanften Sorte, sie haben wehendes langes Haar, zart wie Apfelblüten, und sitzen versonnen an hohen Fenstern oder singen romantische, alte Lieder am Klavier. Aber eine Frau, die an deiner Seite in den Kampf zieht und dir Rückendeckung gibt, ist etwas anderes, etwas, wobei du Gänsehaut kriegst. Denken Sie an das erste Mal, als Sie mit jemandem geschlafen haben, oder an das erste Mal, als Sie verliebt waren: die blendende Explosion, das elektrische Kribbeln bis in die Fingerspitzen, das Gefühl von Neubeginn und Verwandlung. Ich sage Ihnen, das ist nichts, gar nichts im Vergleich zu der Kraft, das eigene Leben, fraglos und jeden Tag, in die Hände eines anderen zu legen.

11
    AM SELBEN WOCHENENDE fuhr ich sonntags zum Essen zu meinen Eltern. Ich mache das alle paar Wochen, obwohl ich nicht genau weiß, warum. Wir haben kein enges Verhältnis; wir gehen freundlich und mit einer leicht verwunderten Höflichkeit miteinander um, wie Menschen, die sich auf einer Pauschalreise kennengelernt haben und nicht wissen, wie sie den Kontakt beenden sollen. Manchmal bringe ich Cassie mit. Meine Eltern sind ganz vernarrt in sie – sie zieht meinen Vater mit seiner Liebe zur Gartenarbeit auf, und manchmal, wenn sie meiner Mutter in der Küche hilft, höre ich meine Mutter lachen, aus vollem Hals und glücklich wie ein junges Mädchen – und machen hoffnungsvolle kleine Andeutungen, wie gut wir uns doch verstehen, was wir frohgemut ignorieren.
    »Wo ist Cassie denn heute?«, fragte meine Mutter nach dem Essen. Sie hatte Makkaroni mit Käsesauce gemacht – irgendwie denkt sie, das ist mein Lieblingsessen (was es vielleicht auch mal war, irgendwann früher), und sie kocht das Gericht als kleinen schüchternen Ausdruck von Mitgefühl jedes Mal, wenn in der Zeitung angedeutet wird, dass ein Fall, an dem ich arbeite, nicht so gut läuft. Schon der Geruch löst bei mir klaustrophobische Gefühle aus und macht mich nervös. Meine Mutter und ich waren in der Küche, ich spülte, und sie trocknete ab. Mein Vater saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher und guckte eine Folge Columbo. In der Küche war es dämmrig, und wir hatten das Licht an, obwohl es erst später Nachmittag war.
    »Ich glaube, sie besucht ihre Tante und ihren Onkel«, sagte ich. Wahrscheinlich hatte Cassie es sich auf ihrem Sofa gemütlich gemacht, las und aß Eis direkt aus der Packung – wir hatten nicht viel Zeit für uns selbst gehabt in den letzten zwei Wochen, und Cassie braucht genau wie ich ein gewisses Maß an Einsamkeit –, aber ich wusste, meine Mutter würde der Gedanke beunruhigen, dass Cassie einen Sonntag allein verbrachte.
    »Das wird ihr guttun, sich ein bisschen umsorgen zu lassen. Ihr zwei seid bestimmt geschafft.«
    »Wir sind ziemlich müde«, sagte ich.
    »Diese ständige Fahrerei nach Knocknaree.«
    Meine Eltern und ich reden höchstens ganz allgemein über meine Arbeit, und Knocknaree ist ein Tabuthema. Ich blickte jäh auf, aber meine Mutter hielt einen Teller schräg ins Licht, um nach nassen Streifen zu suchen.
    »Das schlaucht ganz schön, stimmt«, sagte ich.
    »In der Zeitung stand«, sagte meine Mutter vorsichtig, »dass die Polizei wieder mit den Eltern von Peter und Jamie gesprochen hat. Wart ihr das, du und Cassie?«
    »Nicht bei den Savages. Aber bei dem Gespräch mit Ms Rowan war ich dabei, ja. Ist die sauber?«
    »Ja, sehr gut«, sagte meine Mutter und nahm mir die Auflaufform aus der Hand. »Wie geht’s Alicia?«
    Etwas in ihrer Stimme ließ mich erneut stutzen. Sie sah meinen Blick und errötete, strich sich mit dem Handgelenk Haare von der Wange. »Ach, wir waren gut befreundet. Alicia war ... ja, sie war fast wie eine kleine Schwester für mich. Wir haben uns aus den Augen verloren, danach. Ich hab mich nur gefragt, wie es ihr geht.«
    Nachträgliche Panik stieg in mir auf: Wenn ich gewusst hätte, dass Alicia Rowan und meine Mutter Freundinnen gewesen waren, wäre ich nicht mal in die Nähe des Hauses gegangen. »Ich glaube, es geht ihr ganz gut«, sagte ich. »Unter den Umständen. Sie hat in Jamies Zimmer seit damals nichts verändert.«
    Meine Mutter schnalzte unglücklich mit der Zunge. Wir spülten eine Weile schweigend weiter: Besteckgeklimper, Peter Falk, der nebenan jemanden listig befragte. Draußen vor dem Fenster landeten zwei Elstern im Gras, pickten in dem kleinen Garten herum und kommentierten ihn krächzend.
    »Zwei bringen

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