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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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große Sache. Hab ein bisschen geplaudert, mich erkundigt, ob keiner von ihnen Ärger mit der Bürgerinitiative hatte, ihnen eingeschärft, schön aufzupassen, und mich wieder verabschiedet. Meint ihr, auch nur einer von denen hat sich bedankt? Nicht zu fassen. Richtige Charmebolzen sind das.«
    »Na und?«, fragte ich. »Das dürfte ja wohl jedem von uns klar sein.« Ich wollte gar nicht so gemein sein, aber jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich wieder Philomena Kavanaghs Leiche, und jedes Mal, wenn ich sie öffnete, sah ich die Tatortfotos von Katy auf der Tafel hinter Sams Kopf, und mir stand ganz und gar nicht der Sinn nach ihm und seinen Ergebnissen und seinem Taktgefühl.
    »Und«, sagte Sam ungerührt, »Ken McClintock, der Typ, der hinter Dynamo steckt, war den ganzen April in Singapur; da treiben sich dieses Jahr alle coolen Grundstücksspekulanten rum. Den können wir abhaken: Er hat von keinem Telefon in Dublin anonyme Anrufe getätigt. Und wisst ihr noch, was Devlin über die Stimme von eurem Mann gesagt hat?«
    »Nichts sonderlich Brauchbares, soweit ich mich erinnere«, sagte ich.
    »Eher hell«, sagte Cassie, »kein spezieller Dialekt. Vermutlich im mittleren Alter.« Sie saß nach hinten gelehnt auf ihrem Stuhl, die Beine übereinandergeschlagen, die Arme lässig hinter dem Kopf verschränkt. In ihrem eleganten Gerichtsoutfit wirkte sie in dieser Umgebung fast bewusst deplatziert, wie aus einem avantgardistischen Modeclip.
    »Spot an. Conor Roche von Global stammt aus Cork, unverkennbar an seinem Akzent – Devlin hätte das auf Anhieb herausgehört. Und sein Partner Jeff Barnes ist Engländer und hat obendrein eine Stimme wie ein Bär. Bleibt nur noch unser Freund« – Sam umkringelte den Namen auf der Tafel mit einer schwungvollen Bewegung – »Terence Andrews, dreiundfünfzig, aus Westmath, ausgestattet mit einer piepsigen Tenorstimme. Und ratet mal, wo der wohnt?«
    »In der Stadt«, sagte Cassie und begann zu lächeln.
    »Penthouse im Hafen. Er trinkt gern einen im Gresham Hotel – ich hab ihm gesagt, er soll aufpassen, wenn er zu Fuß zurückgeht, bei diesen linken Typen könne man nie wissen –, und alle drei Telefone liegen direkt auf seinem Nachhauseweg. Ich hab meinen Burschen, Leute.«

    Ich weiß nicht mehr, was ich den Rest des Tages getan habe, vermutlich an meinem Schreibtisch gesessen und mit Papier gespielt. Sam machte sich wieder auf zu einem weiteren mysteriösen Ziel, und auch Cassie verließ das Büro, um einem nicht besonders vielversprechenden Hinweis nachzugehen. Sie nahm O'Gorman mit und besetzte die Hotline mit dem stillen Sweeney, wofür ich zutiefst dankbar war. Nach der Hektik in den letzten Wochen wirkte der fast leere SOKO-Raum irgendwie unheimlich und verlassen, die Schreibtische der Fahnder übersät mit liegen gebliebenen Unterlagen und Kaffeetassen, die sie vergessen hatten, zurück in die Kantine zu bringen.
    Ich schickte Cassie eine SMS, dass ich mich nicht gut genug fühlen würde, um abends zum Essen zu kommen. Das rücksichtsvolle Getue der beiden hätte ich nicht ausgehalten. Ich machte früher Feierabend, um vor Heather zu Hause zu sein – montagsabends hat sie ihren Pilates-Kurs –, legte ihr einen Zettel hin, ich hätte Migräne, und schloss mich in meinem Zimmer ein. Heather pflegt ihre Gesundheit mit der Art von zielstrebiger, akribischer Hingabe, mit der sich manche Frauen ihren Blumenbeeten oder Porzellansammlungen widmen, was jedoch den Vorteil hat, dass sie die Wehwehchen anderer genauso ehrfürchtig respektiert wie ihre eigenen: Sie würde mich den ganzen Abend in Ruhe lassen und den Fernseher leiser stellen.
    Ich wurde das Gefühl nicht los, das mir im Gerichtssaal auch noch die letzte Chance geraubt hatte, dass mich nämlich MacSharrys Foto von Philomena Kavanagh an etwas erinnerte, ohne dass ich hätte sagen können, woran. Die Erkenntnis kam mir irgendwann mitten in der Nacht, als ich mal wieder in einen unruhigen Dämmerschlaf gefallen war. Sie traf mich mit solcher Wucht, dass ich schlagartig hellwach war und kerzengerade im Bett auffuhr, mit hämmerndem Herzen. Ich tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe, starrte dann die Wand an, während kleine, milchige Schnörkel vor meinen Augen herumwirbelten.
    Noch ehe wir in der Nähe der Lichtung waren, spürten wir, irgendetwas war anders, irgendetwas stimmte nicht. Die Geräusche waren verworren und abgehackt, überlappten sich zu sehr, Stöhnen und Keuchen und Kreischen, alles

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