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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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einen Apfel und bot mir zwischendurch geistesabwesend an, mal zu beißen.
    Andrews hatte jedoch ein Alibi für die Nacht, in der Katy starb, und nachdem er seine Gekränktheit wortreich zum Ausdruck gebracht hatte, war er bereit, es auch zu liefern. Er hatte den ganzen Abend in Killiney mit ein paar von den »Jungs« Poker gespielt, und als sich die Runde gegen Mitternacht auflöste, wollte er sich nicht mehr ans Steuer setzen – »die Bullen sind nicht mehr so verständnisvoll wie früher«, sagte er mit einem Zwinkern zu Sam – und hatte bei dem Freund im Gästezimmer übernachtet. Er nannte Namen und Telefonnummern der »Jungs«, damit Sam die Angaben überprüfen konnte.
    »Wunderbar«, sagte Sam schließlich. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Stimmenvergleich, um Sie als anonymen Anrufer ausschließen zu können.«
    Ein verletzter Ausdruck glitt über Andrews’ dickliches Gesicht. »Nachdem man mich so behandelt hat«, sagte er, »bin ich zu keinerlei Entgegenkommen mehr bereit. Das verstehen Sie doch, Sam?« Cassie fing an zu kichern.
    »Tut mir leid, dass Sie das so sehen, Mr Andrews«, sagte Sam ernst. »Könnten Sie mir sagen, welche Aspekte Ihrer Behandlung für Sie problematisch waren?«
    »Sie haben mich herzitiert, sodass ich fast einen ganzen Geschäftstag verloren habe, Sam, und mich wie einen Verdächtigen behandelt«, sagte Andrews mit lauter werdender Stimme, die ob dieser Ungerechtigkeiten vor Empörung bebte. Ich musste auch lachen. »Ich weiß, Sie haben es hier normalerweise mit halbseidenen Typen zu tun, die ohnehin nichts Besseres zu tun haben, aber Sie müssen sich klarmachen, was das für einen Mann in meiner Position bedeutet. Mir entgehen einige lukrative Geschäftsabschlüsse, nur weil ich Ihnen behilflich bin, gut möglich, dass ich heute bereits größere Summen verloren habe, und jetzt soll ich auch noch so ein Stimmendingsbums machen für einen Mann, der mir völlig unbekannt ist?« Sam hatte recht gehabt: Er hatte wirklich eine piepsige Tenorstimme.
    »Das verstehe ich natürlich«, sagte Sam. »Wir müssen den Stimmenvergleich ja nicht jetzt machen. Wenn es Ihnen lieber ist, außerhalb der Geschäftsstunden noch einmal wiederzukommen, heute Abend oder morgen, dann bereite ich alles vor. Wie wär das?«
    Andrews zog einen Schmollmund. Der Anwalt hob einen Finger und bat, sich mit seinem Mandanten kurz unter vier Augen beraten zu dürfen. Sam stellte die Kamera aus, kam zu uns in den Beobachtungsraum und lockerte seine Krawatte.
    »Hi«, sagte er. »Spannend, was?«
    »Fesselnd«, sagte ich. »Drinnen muss es noch lustiger sein.«
    »Kann man wohl sagen. Der Knabe ist der Brüller. Ist euch dieses blöde Auge aufgefallen? Ich dachte zuerst, der hätte ein Konzentrationsproblem –«
    »Dein Verdächtiger ist unterhaltender als unser Verdächtiger«, sagte Cassie. »Unserer hat nicht mal einen nervösen Tick oder so.«
    »Apropos«, sagte ich, »setz den Stimmenvergleich nicht für heute Abend an. Devlin hat gleich noch seinen Termin bei uns, und wenn wir Glück haben, steht ihm danach nicht mehr der Sinn nach irgendwas anderem.« Wenn wir richtig Glück hatten, so wusste ich, konnte der Fall – konnten beide Fälle – am Abend geklärt sein, ohne dass Andrews überhaupt etwas machen musste, aber das sagte ich nicht. Schon bei dem Gedanken zog sich mir unangenehm die Kehle zusammen.
    »Oha, stimmt«, sagte Sam. »Hatte ich ganz vergessen. Tschuldigung. Wir machen echt Fortschritte, was? Zwei gute Verdächtige an einem Tag.«
    »Mann, sind wir gut«, sagte Cassie. »Andrews’ High-Five!« Sie machte Schielaugen, schlug nach Sams Hand und verfehlte. Wir waren alle drei total überdreht.
    »Wenn du in dem Moment einen Schlag auf den Hinterkopf kriegst, bleiben die Augen so stehen«, sagte Sam. »Das ist Andrews passiert.«
    »Verpass ihm noch eine, mal sehen, ob sie dann wieder richtig rutschen.«
    »Ha, das war diskriminierend«, sagte ich zu Cassie. »Ich muss dich melden, beim Komitee für die Rechte schielender Drecksäcke.«
    »Der schweigt sich aus«, sagte Sam. »Aber egal, ich hab sowieso nicht damit gerechnet, viel aus ihm rauszuholen. Ich will ihn bloß ein bisschen nervös machen, und er soll sich zu dem Stimmenvergleich bereit erklären. Sobald wir den haben, kann ich den Druck verstärken.«
    »Moment mal. Ist der blau ?«, fragte Cassie. Sie beugte sich vor, sodass ihr Atem das Glas beschlug, und beobachtete Andrews, der wild gestikulierte und seinem Anwalt wütend

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