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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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angerufen.‹ Er hat gelächelt und den Kopf geschüttelt, nach dem Motto, ›Ja klar‹, und dann hat er sich zu mir gebeugt und gesagt – ganz ruhig, in einem heiter sachlichen Ton: ›Wenn ich je in deine Wohnung einbrechen und dich vergewaltigen würde, würde dir keiner glauben, oder was meinst du?‹ Dann hat er wieder gelächelt und ist zurück zu seiner Clique gegangen.«
    »Cass«, sagte ich schließlich behutsam, »vielleicht solltest du hier eine Alarmanlage einbauen lassen. Ich will dir keine Angst machen, aber –«
    Cassie schüttelte den Kopf. »Und was noch, nicht mehr aus dem Haus gehen? Ich kann es mir nicht leisten, paranoid zu werden. Ich habe ein gutes Türschloss, und meine Pistole liegt immer neben meinem Bett.« Das war mir natürlich aufgefallen, aber es gibt viele Detectives, die sich unwohl fühlen, wenn sie ihre Pistole nicht in Reichweite haben. »Jedenfalls, ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nie tun wird. Ich weiß, wie er tickt – leider. Für ihn ist die Vorstellung, dass ich mich ständig frage, ob er seine Drohung wahr macht, unterhaltsamer, als es tatsächlich zu tun.«
    Sie nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette, beugte sich vor und drückte sie aus. Ihre Wirbelsäule war so starr, dass die Bewegung schmerzhaft wirkte. »Damals allerdings hatte ich eine Heidenangst. Deshalb hab ich schließlich das Studium geschmissen. Ich bin nach Frankreich. Ich hab Verwandte in Lyon, bei denen hab ich ein Jahr gewohnt und in einem Café gekellnert. Es war schön. Da hab ich mir auch die Vespa angeschafft. Dann bin ich zurück und hab mich an der Polizeiakademie beworben.«
    »Wegen ihm?«
    Sie zuckte die Achseln. »Kann sein. Wahrscheinlich. So hatte die Sache wenigstens doch noch ein Gutes. Zwei: Ich habe jetzt ein gutes Gespür für Psychopathen. Das ist wie bei einer Allergie: Wenn du einmal eine entwickelt hast, bist du hyperempfindlich.« Sie leerte ihr Glas mit einem langen Schluck. »Letztes Jahr hab ich Sarah-Jane zufällig getroffen, in einem Pub in der Stadt. Ich hab hallo gesagt. Sie hat mir erzählt, es gehe ihm gut, ›trotz all deiner Bemühungen‹, und ist gegangen.«
    »Hast du deshalb Albträume?«, fragte ich sanft. Ich hatte sie zweimal aus diesen Träumen wachgerüttelt, weil sie um sich schlug, unverständliches Zeug stammelte. Damals arbeiteten wir an einer Serie von Vergewaltigungsmorden, aber sie wollte nicht drüber reden.
    »Ja, ich träume, er ist der Typ, hinter dem wir her sind, aber wir können ihm nichts nachweisen, und als er erfährt, dass ich in dem Fall ermittele, da ... Na ja. Da macht er es eben.«
    In dem Moment, als sie mir das erzählte, nahm ich an, sie würde träumen, dass dieser Typ seine Drohung wahrmacht. Heute glaube ich, ich hab mich geirrt. Ich verstand das Entscheidende nicht, nämlich wo die wahre Gefahr lag. Und ich glaube, das war von allen großen Fehlern meines Lebens der allergrößte.
    »Wie war sein Name?«, fragte ich. Ich wollte unbedingt irgendwas tun, die Sache irgendwie in Ordnung bringen, und mir fiel nur ein, die Vergangenheit von dem Typen zu durchleuchten, um etwas zu finden, was für eine Festnahme reichte. Und ich glaube, ein kleiner Teil von mir, ob aus Grausamkeit oder distanzierter Neugier oder was auch immer, hatte registriert, dass Cassie den Namen verschwiegen hatte, und wollte sehen, was passieren würde, wenn sie ihn nannte.
    Cassie blickte mir endlich direkt in die Augen, und ich erschrak vor dem konzentrierten, diamantharten Hass, der in ihnen lag. »Schall und Rauch«, sagte sie.

14
    AM NÄCHSTEN TAG bestellten wir Jonathan aufs Präsidium. Ich rief ihn an und fragte ihn in meiner besten Profistimme, ob es ihm was ausmachen würde, nach der Arbeit vorbeizukommen, um uns bei ein paar Dingen behilflich zu sein. Sam war mit Andrews im Hauptvernehmungsraum, dem großen, mit einer angrenzenden Beobachtungskabine für Gegenüberstellungen (»Ich fress’nen Besen«, sagte O'Kelly, »auf einmal können wir uns vor Verdächtigen nicht retten. Ich hätte euch die Fahnder früher wegnehmen sollen, das hat euch richtig Beine gemacht«), aber das war uns gar nicht unlieb: Wir wollten einen kleinen Raum, je kleiner, desto besser.
    Wir dekorierten das Zimmer sorgfältig wie eine Bühnenkulisse: Fotos von Katy, lebendig und tot, erstreckten sich über eine halbe Wand, Peter und Jamie und die grausigen Turnschuhe und meine aufgeschürften Knie über die andere Hälfte. Wir hatten auch eine Aufnahme von meinen

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