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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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hab ich sie das erste Mal wieder gebraucht, aber alle meinten nur: ›Nein, hab ich nicht gesehen, nee, keine Ahnung, wo die ist.‹«
    »Ist sie denn irgendwie markiert? Wüsste jemand, der sie findet, dass es Ihre ist?«
    »Klar. Meine Initialen stehen im Griff.« Er biss wieder herzhaft in den Donut. »Hab ich vor einer Ewigkeit reingebrannt«, sagte er mit vollem Mund, »einmal, als es geschüttet hat wie aus Eimern und wir stundenlang nicht rauskonnten. Ich hab ein Schweizer Armeemesser, und da hab ich den Korkenzieher mit dem Feuerzeug erhitzt –«
    »Sie hatten Baker verdächtigt, die Kelle genommen zu haben. Wieso?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, weil der dauernd so bescheuerte Sachen macht. Niemand käme auf die Idee, sie zu klauen, nicht mit meinen Initialen drauf. Deshalb hab ich gedacht, jemand hätte sie bloß genommen, um mich zu ärgern.«
    »Und glauben Sie noch immer, er war’s?«
    »Nee. Danach ist mir nämlich eingefallen, dass Dr. Hunt den Fundschuppen abgeschlossen hat, als wir gegangen sind, und Baker hat keinen Schlüssel –« Plötzlich leuchteten seine Augen. »He, ist das etwa die Mordwaffe? Scheiße!«
    »Nein«, sagte ich. »An welchem Tag haben Sie die Münze gefunden, wissen Sie das noch?«
    Sean blickte enttäuscht, aber er dachte nach, starrte ins Leere und ließ die Beine baumeln. »Die Leiche wurde am Mittwoch gefunden, stimmt’s?«, sagte er schließlich. Er hatte den Donut verspeist, knüllte die Folie zusammen, warf sie in die Luft und schlug sie mit der flachen Hand ins Unterholz. »Okay, dann war es nicht der Tag davor, weil wir da mit dem blöden Entwässerungsgraben zugange waren. Der Tag davor . Montag.«
    Ich denke noch oft an das Gespräch mit Sean. Die Erinnerung daran hat etwas seltsam Tröstliches, obwohl dabei auch stets eine gewisse Trauer mitschwingt. Ich vermute, dieser Tag war, obwohl es mir bis heute schwerfällt, das einzugestehen, der Gipfelpunkt meiner Karriere. Es gibt nicht viele Entscheidungen im Zuge der Ermittlungen, auf die ich stolz bin, aber zumindest an dem Morgen habe ich alles richtig gemacht, so sicher und selbstverständlich, als hätte ich nie im Leben einen Fuß falsch aufgesetzt.
    »Sind Sie sicher?«, fragte ich.
    »Ziemlich. Fragen Sie Dr. Hunt, der hat die Münze ins Fundbuch eingetragen. Bin ich so was wie ein Zeuge? Muss ich vor Gericht aussagen?«
    »Durchaus möglich«, sagte ich. Adrenalin hatte die Müdigkeit verbrannt, und mein Verstand lief auf Hochtouren. »Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
    »Super«, sagte Sean fröhlich. Anscheinend machte das die Enttäuschung wegen der Mordwaffe wieder wett. »Krieg ich Zeugenschutz?«
    »Nein«, sagte ich, »aber Sie können was für mich tun. Gehen Sie zurück an die Arbeit und erzählen Sie den anderen, wir hätten über einen Fremden gesprochen, den Sie ein paar Tage vor dem Mord auf dem Gelände haben herumlungern sehen. Ich hätte eine genauere Beschreibung von Ihnen haben wollen. Kriegen Sie das überzeugend hin?« Keine Beweise und keine Unterstützung: Ich wollte niemanden aufschrecken, noch nicht.
    »Null Problemo«, versicherte Sean mir und nickte. »Undercoverarbeit. Wahnsinn.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich melde mich später wieder.« Er rutschte von der Motorhaube und eilte beschwingt zurück zu den anderen, kratzte sich durch die Wollmütze den Kopf. Es klebte ihm noch Zucker in den Mundwinkeln.

    Ich fragte bei Hunt nach, der im Fundbuch nachsah und Seans Version bestätigte: Er hatte die Münze am Montag gefunden, ein paar Stunden vor Katys Tod. »Wunderbarer Fund«, sagte Hunt, »wunderbar. Hat ein Weilchen gedauert bis ... ähm ... wir sie identifizieren konnten. Wir haben keinen Münzspezialisten hier. Mein Spezialgebiet ist das Mittelalter.«
    »Wer hat alles einen Schlüssel zum Fundschuppen?«, fragte ich.
    »Edward VI., Penny, Mitte sechzehntes«, sagte er. »Oh ... der Fundschuppen? Aber wieso?«
    »Ja, der Fundschuppen. Mir wurde gesagt, er wird abends abgeschlossen. Ist das richtig?«
    »Ja, ja, jeden Abend. Überwiegend Keramikfunde natürlich, aber man kann nie wissen.«
    »Und wer hat einen Schlüssel?«
    »Na, ich natürlich«, sagte er, nahm seine Brille ab und putzte sie sich an seinem Pullover, während er mich verschwommen anblinzelte. »Und Mark und Damien – für die Führungen. Nur für alle Fälle. Die Leute wollen ja immer gern die Funde sehen, nicht?«
    »Ja«, sagte ich. »Kann ich mir vorstellen.«
    Ich ging zurück zum

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