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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Angeblich hat keiner von ihnen seinen Schlüssel je verloren, verliehen oder kurzfristig vermisst.«
    »Fangen wir also mit den Schuppen an«, sagte ich, »und dann machen wir, falls erforderlich, draußen weiter. Sam, du und Cassie, fangt ihr mit dem Geräteschuppen an? Sweeney und ich nehmen uns das Büro vor.«
    Das Büro war winzig und vollgestopft – durchhängende Regale mit Büchern und Pflanzen, ein Schreibtisch, übersät mit Papieren und Tassen und Tonscherben und einem klobigen, altmodischen Computer. Sweeney und ich arbeiteten zügig und systematisch, öffneten Schubladen, nahmen Bücher herunter, schauten dahinter nach und stellten sie unordentlich wieder zurück. Ich rechnete eigentlich nicht damit, irgendetwas zu finden. Hier hätte man nirgendwo eine Leiche verstecken können, und ich war mir einigermaßen sicher, dass die Kelle und der Plastikbeutel entweder in den Fluss geworfen oder irgendwo auf dem Gelände verbuddelt worden waren, sodass wir sie, wenn überhaupt, nur mit dem Metalldetektor und einer Riesenportion Glück und Zeit finden würden. Meine Hoffnung ruhte auf Sophie und ihren Leuten und den geheimnisvollen Ritualen, die sie im Fundschuppen vollführten. Meine Hände fuhren automatisch über die Regale. Ich lauschte so angestrengt, dass es mich beinahe lähmte, auf irgendein Geräusch von draußen, Schritte, Sophies rufende Stimme. Als Sweeney eine Schublade fallen ließ und leise fluchte, hätte ich ihn fast angeschrien, er solle nicht so einen Krach machen.
    Allmählich wurde mir klar, um was für einen hohen Einsatz ich hier spielte. Es hätte voll und ganz genügt, wenn ich Sophie angerufen und sie gebeten hätte, herzukommen und den Fundschuppen unter die Lupe zu nehmen, dann hätte es keiner erfahren müssen, wenn nichts dabei herumgekommen wäre. Stattdessen hatte ich ein Überfallkommando herbestellt und die ganze Baustelle lahmgelegt, und ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, wie O'Kelly reagieren würde, wenn sich die Aktion als Schuss in den Ofen erwies.
    Eine gefühlte Stunde war vergangen, als draußen jemand »Rob!« schrie. Ich sprang auf, ließ vor Schreck Papiere zu Boden flattern, aber es war Cassies Stimme: klar, knabenhaft, aufgedreht. Sie kam mit einem Satz die Stufen hoch, packte die Türklinke und schwang sich ins Büro. »Rob, wir haben sie. Die Kelle. Im Geräteschuppen, unter einem Stapel Abdeckplane –« Sie war hochrot im Gesicht und außer Atem und hatte offenbar völlig vergessen, dass wir kaum noch miteinander sprachen. Ich selbst vergaß es ebenfalls für einen Moment. Ihre Stimme erfüllte mein Herz blitzartig mit altvertrauter Wärme.
    »Bleib hier«, sagte ich zu Sweeney, »such weiter«, und folgte Cassie. Sie lief schon wieder zurück zum Geräteschuppen, sprang wieselflink über Furchen und Pfützen.
    Im Geräteschuppen herrschte ein chaotisches Durcheinander: Schubkarren kreuz und quer, ein Gewirr von Spaten und Schaufeln und Hacken an den Wänden, hohe schwankende Stapel zerbeulter Eimer und Kniematten und knallgelbe Reflexionswesten, alles dick mit getrocknetem Schlamm verkrustet. Ein paar Mitarbeiter stellten ihre Fahrräder hier unter. Cassie und Sam hatten von links nach rechts gearbeitet. Die linke Seite sah unverkennbar »durchsucht« aus, überfallen und dezent wieder aufgeräumt.
    Sam kniete hinten im Schuppen zwischen einer kaputten Schubkarre und einem Haufen grüner Planen, die er an einer Ecke mit einer behandschuhten Hand hochhielt. Wir suchten uns einen Weg durch die Geräte und zwängten uns neben ihn.
    Die Kelle war tief hinter den Stapel gerammt worden, zwischen Planen und Wand, und zwar mit solcher Wucht, das die Spitze das strapazierfähige Material ein Stück eingerissen hatte. Der Schuppen, in dem nicht mal eine Glühbirne hing, war düster, obwohl die Tür aufstand, aber Sam leuchtete mit seiner Taschenlampe auf den Griff: SC, große Buchstaben, tief in das lackierte Holz eingebrannt.
    Wir schwiegen lange, dann sagte Sam leise: »Ich schätze, die Planen werden nicht sehr oft benutzt. Die lagen unter kaputtem Werkzeug und so. Und Cooper hat doch gesagt, die Kleine sei wahrscheinlich in irgendwas eingewickelt worden, am Tag, bevor sie gefunden wurde, nicht?«
    Ich richtete mich auf und bürstete mir Dreck von den Knien. »Genau hier«, sagte ich. »Ihre Familie sucht verzweifelt nach ihr, und sie war die ganze Zeit hier.« Ich war zu schnell aufgestanden. Einen Moment lang drehte sich mir alles, und ich hatte ein helles

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