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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Handwerkers weggerutscht und hatte ein Stück am Rand herausgebrochen, sodass ein kleiner, scharfkantiger Vorsprung entstanden war. An der Unterseite klebte etwas Dunkles, fast Schwarzes.
    »Unsere Helen hat das entdeckt«, sagte Sophie. Die junge Technikerin sah auf und lächelte mich schüchtern und stolz zugleich an. »Wir haben eine Probe genommen, und es ist Blut – ich sag euch noch Bescheid, ob’s menschliches Blut ist. Wahrscheinlich hat es nichts mit der Leiche hier zu tun. Ihr Blut war schon getrocknet, als sie hergebracht wurde, und außerdem ist das hier bestimmt schon Jahre alt. Könnte von einem Tier sein oder von einer Schlägerei unter Jugendlichen stammen oder was weiß ich, aber trotzdem, interessant ist es auf alle Fälle.«
    Ich dachte an die sanfte Mulde an Jamies Handgelenk, an Peters braunen Nacken mit dem weißen Streifen, wenn er vom Friseur kam. Ich konnte Cassies Blick auf mir spüren. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwie mit dem Fall zu tun hat«, sagte ich. Ich richtete mich auf – es wurde zu schwierig, in der Hocke das Gleichgewicht zu halten, ohne die Steinplatte anzufassen –, und durch das jähe Hochkommen wurde mir schwindelig.

    Ehe wir den Tatort verließen, stellte ich mich auf den kleinen Hügelabsatz oberhalb des Fundorts und drehte mich einmal ganz im Kreis, prägte mir die Gesamtansicht ein: Gräben, Häuser, Felder, Zugänge und Winkel und Anordnungen. Entlang der Siedlungsmauer war ein schmaler Baumstreifen unangetastet geblieben, vermutlich um die Bewohner vor dem unbarmherzigen Blick auf die Ausgrabung zu schützen. An einem Baum hing ein abgerissenes blaues Kunststoffseil, das mit einem dicken Knoten an einem der oberen Äste befestigt war, als baumelten zwei Füße herab. Es war ausgefranst und angemodert und suggerierte irgendeine finstere Gruselgeschichte – Lynchmorde, mitternächtliche Suizide –, aber ich wusste, was es war. Die Überreste einer Autoreifenschaukel.
    Ich hatte mir angewöhnt, an Knocknaree wie an etwas zu denken, das einem anderen und fremden Menschen zugestoßen war, doch ein Teil von mir war all die Zeit über hier geblieben. Während ich in Templemore vor mich hindöste oder mich auf Cassies Futon lümmelte, hatte jenes unermüdliche Kind nie aufgehört, auf einer Autoreifenschaukel verrückte Kreise zu drehen, hinter Peters hellem Schopf über eine Mauer zu klettern, in einem Blitz aus braunen Beinen und Lachen in den Wald hinein zu verschwinden.
    Es gab eine Zeit, in der ich zusammen mit der Polizei und den Medien und meinen geschockten Eltern glaubte, dass ich der Gerettete war, der Junge, der nach der Springflut, die Peter und Jamie davontrug, sicher wieder nach Hause gebracht wurde. Das war vorbei. In einer gewissen Weise, die zu dunkel und zu prägend war, um metaphorisch zu sein, hatte ich diesen Wald nie verlassen.

3
    ICH SPRECHE NICHT ÜBER die Knocknaree-Sache. Ich wüsste nicht, wozu. Es würde nur zu endlosen, sensationslüsternen Fragen nach meinen nicht existenten Erinnerungen führen oder zu mitfühlenden und unrichtigen Spekulationen über den Zustand meiner Psyche, und ich habe auf keines von beidem Lust. Meine Eltern wissen davon, natürlich, und Cassie, und ein früherer Schulfreund namens Charlie – er ist jetzt Banker in London, und wir hören hin und wieder voneinander – und dann noch eine gewisse Gemma, mit der ich eine Weile zusammen war, mit neunzehn (wir haben uns ziemlich oft betrunken, und außerdem war sie so ein grüblerischer Typ, und ich dachte, ich könnte mich interessant machen); sonst niemand.
    Als ich aufs Internat kam, legte ich den Namen Adam ab und benutzte nur noch meinen zweiten Vornamen. Ich weiß nicht, ob das die Idee meiner Eltern war oder meine eigene, aber ich denke, es war gut so. Allein im Telefonbuch von Dublin gibt es fünf Seiten Ryans, aber Adam ist nicht so häufig, und die Medien überschlugen sich damals (selbst in England: Ich durchforstete immer heimlich die Zeitungen, mit denen ich eigentlich das Kaminfeuer für die Aufsichtsschüler anzünden sollte, und riss alles Wichtige heraus, um es später auf der Toilette auswendig zu lernen, ehe ich die Schnipsel wegspülte). Früher oder später hätte irgendwer die Verbindung gezogen. So jedoch kommt wohl keiner auf die Idee, dass Detective Rob mit dem englischen Akzent der kleine Adam Ryan aus Knocknaree sein könnte.
    Natürlich war mir klar, dass ich es O’Kelly sagen müsste, schließlich bearbeitete ich nun einen

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