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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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gestanden hatte. Er konnte schlimmstenfalls einen Anwalt verlangen, und ein Anwalt würde ihm raten, genau das zu erzählen, was sie ohnehin herauszufinden versuchten. Eine Komplizin bedeutete geteilte Schuld, Verwirrung, alles, was einem Strafverteidiger wie Musik in den Ohren klingt. Cassie und Sam konnten sich so viel Zeit lassen, wie sie wollten, den ganzen Tag, die ganze Woche, so lange, wie sie eben brauchten.
    »Und wann sind Sie und Rosalind dann zusammengekommen?«, fragte Cassie nach einer Weile.
    Damien war dabei, die Ecke eines Telefonlistenblatts aufzufälteln, doch jetzt blickte er auf, verstört und argwöhnisch. »Wie bitte?« ... Wir – ähm, wir sind nicht zusammen. Wir sind bloß Freunde.«
    »Damien«, sagte Sam vorwurfsvoll und klopfte auf die Listen. »Sehen Sie sich das an. Sie rufen sie drei-, viermal am Tag an, simsen ihr ein halbes Dutzend Mal, telefonieren mitten in der Nacht stundenlang –«
    »Oh Gott, das kenn ich«, sagte Cassie wehmütig. »Diese horrenden Telefonrechnungen, wenn man verliebt ist ...«
    »Rosalind macht fünfundneunzig Prozent Ihrer Handyrechnung aus, Mann. Und das ist völlig in Ordnung. Sie ist eine charmante junge Frau, Sie sind ein netter junger Bursche. Warum solltet ihr zwei kein Paar sein?«
    »Moment mal«, sagte Cassie plötzlich und setzte sich auf. »Hat Rosalind etwas mit der Sache zu tun? Wollen Sie deshalb nicht über sie reden?«
    »Nein!« Damien schrie fast. »Lassen Sie sie in Ruhe!«
    Cassie und Sam starrten ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Entschuldigung«, murmelte er gleich darauf und sank auf seinem Stuhl zusammen. Er war knallrot im Gesicht. »Ich ... ich mein bloß, sie hat nichts damit zu tun. Können Sie sie bitte da raushalten?«
    »Aber warum dann die Geheimniskrämerei, Damien?«, fragte Sam. »Wenn sie nichts damit zu tun hat?«
    Er zuckte die Achseln. »Weil ... wir keinem gesagt haben, dass wir zusammen sind.«
    »Wieso nicht?«
    »Einfach so. Und weil Rosalinds Dad sauer geworden wäre.«
    »Er kann Sie nicht leiden?«, fragte Cassie mit genau dem richtigen Quäntchen Überraschung in der Stimme, um schmeichelhaft zu klingen.
    »Nein, nicht deshalb. Sie darf noch keinen Freund haben.« Damien blickte nervös zwischen ihnen hin und her. »Würden Sie ... ich meine, würden Sie ihm nichts verraten? Bitte?«
    »Wie sauer hätte er denn werden können?«, fragte Cassie sanft.
    Damien brach Stückchen aus seinem Styroporbecher. »Ich wollte einfach nicht, dass sie Ärger kriegt.« Aber die Röte wich nicht aus seinem Gesicht, und er atmete schnell. Da war etwas.
    »Wir haben eine Zeugenaussage«, sagte Sam, »nach der Jonathan Devlin Rosalind in letzter Zeit mindestens einmal geschlagen hat. Wissen Sie, ob das stimmt?«
    Ein rasches Blinzeln, ein Achselzucken. »Woher soll ich das wissen?«
    Cassie warf Sam einen kurzen Blick zu und wechselte erneut das Thema. »Wie habt ihr zwei das gedeichselt, euch zu treffen, ohne dass ihr Dad was merkt?«, sagte sie in vertraulichem Ton.
    »Zuerst haben wir uns nur am Wochenende in der Stadt getroffen und sind Kaffeetrinken gegangen und so. Rosalind hat ihren Eltern erzählt, sie wäre mit Karen verabredet, einer Schulfreundin. Dagegen hatten sie nichts. Später haben wir uns manchmal nachts getroffen. Auf dem Ausgrabungsgelände. Sie hat sich aus dem Haus geschlichen, wenn ihre Eltern schliefen. Dann haben wir uns auf den Altarstein gesetzt oder bei Regen in den Fundschuppen und uns einfach unterhalten.«
    Es war leicht vorzustellen, leicht und verführerisch reizvoll: eine Wolldecke um die Schultern, ein ländlicher Himmel voller Sterne und Mondlicht, das das zerwühlte Gelände in etwas Filigranes, Träumerisches verwandelte. Bestimmt hatten die Heimlichkeiten und Komplikationen den romantischen Touch des Ganzen nur noch verstärkt. Es war wie im Märchen: der grausame Vater, die schöne Maid, die gefangen in ihrem von Dornen umrankten Turm um Hilfe rief. Sie hatten sich eine eigene nächtliche, verstohlene Welt geschaffen, und für Damien musste diese Welt wunderschön gewesen sein.
    »Oder sie ist tagsüber zur Ausgrabungsstätte gekommen, manchmal mit Jessica, und ich hab für sie eine Führung gemacht. Wir konnten nicht viel miteinander reden, falls uns jemand sah, aber – Hauptsache, wir konnten uns sehen ... Und einmal, im Mai« – er lächelte kurz, ein schüchternes gedankenverlorenes Lächeln – »also, ich hatte noch einen Nebenjob, hab Sandwiches gemacht in einem Deli.

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