Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
Katy hat zugesehen und gelacht !« Er riss seine Hände aus Cassies Umklammerung und wischte sich mit dem Handgelenk wütend über die Augen.
    »Soll das heißen, Jonathan Devlin hatte Geschlechtsverkehr mit seinen Töchtern?«, fragte Cassie ruhig. Ihre Augen waren riesig.
    »Ja. Ja. Er hat es mit ihnen allen gemacht. Katy ...« Damiens Gesicht verzerrte sich. »Katy hat es gefallen . Wie krank ist das denn? Wie kann jemand ...? Deshalb war sie auch sein Liebling. Er hasste Rosalind, weil sie ... nicht wollte ...« Er biss sich in den Handrücken und weinte.
    Ich merkte, wie mir schwindelig wurde, weil ich so lange die Luft angehalten hatte. Ich merkte auch, dass mir kotzübel war. Ich lehnte mich gegen die kühle Scheibe und atmete bewusst langsam und gleichmäßig. Sam reichte Damien ein Taschentuch.
    Wenn ich nicht noch dümmer war, als ich bereits bewiesen hatte, glaubte Damien jedes Wort, das er da sagte. Und wieso auch nicht? Immer wieder lesen wir noch schlimmere Dinge in der Zeitung, vergewaltigte Zweijährige, Kinder, die im Keller verhungert sind, Babys mit abgerissenen Gliedmaßen. Das heimliche Märchen der beiden war in Damiens Kopf immer raumgreifender geworden, wieso sollte er da nicht glauben, dass Aschenputtel von der bösen Schwester gequält wurde?
    Und obwohl ich es wahrhaftig nicht gern zugebe, ich selbst hätte es auch gern geglaubt. Es war vollkommen logisch: Es erklärte und entschuldigte so vieles, nahezu alles. Aber im Gegensatz zu Damien hatte ich die Patientenakten gesehen, den Obduktionsbericht. Jessica hatte sich den Arm bei einem Sturz vom Klettergerüst gebrochen, vor fünfzig Augenzeugen. Rosalind hatte nie eine Schädelfraktur gehabt. Katy war Jungfrau, als sie starb. Eine Art kalter Schweiß kroch mir über die Schultern, leicht und unaufhaltsam.
    Damien putzte sich die Nase. »Es ist Rosalind bestimmt nicht leichtgefallen, Ihnen das zu erzählen«, sagte Cassie sanft. »Das war ganz schön tapfer von ihr. Hatte sie es sonst schon mal jemandem erzählt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Er hat immer gedroht, sie umzubringen, wenn sie es erzählt. Ich war der erste Mensch, dem sie sich anvertraut hat.« In seiner Stimme schwang so etwas wie Verwunderung mit, Verwunderung und Stolz, und ein schwaches, ehrfürchtiges Strahlen erhellte sein verweintes, verrotztes und gerötetes Gesicht. Einen Augenblick lang sah er aus wie ein junger Ritter, der sich auf die Suche nach dem Gral machen will.
    »Und wann hat sie es Ihnen erzählt?«, fragte Sam. »So nach und nach. Wie Sie schon sagten, es ist ihr nicht leichtgefallen. Ich glaube, im Mai hat sie zum ersten Mal was gesagt ...« Damien wurde noch dunkler rot. »Wir hatten, ähm, uns geküsst? Und ich wollte sie berühren ... an der Brust. Rosalind ist sauer geworden und hat mich weggestoßen und gesagt, sie wär nicht so eine, und ich war echt überrascht – dass das für sie so eine große Sache ist. Da waren wir schon knapp einen Monat zusammen – ich meine, ich weiß, das gibt mir nicht das Recht ... aber ... Jedenfalls, ich war bloß verblüfft, aber Rosalind hat gleich Angst gehabt, ich wäre sauer auf sie. Und da ... da hat sie mir erzählt, was ihr Dad mit ihr macht. Um zu erklären, warum sie so heftig reagiert hat.«
    »Und was haben Sie gesagt?«, fragte Cassie.
    »Ich hab gesagt, sie soll von zu Hause ausziehen! Ich wollte für uns eine Wohnung besorgen, wir hätten das Geld gehabt – ich hatte den Job bei der Ausgrabung in der Tasche, und Rosalind hätte als Model jobben können. So ein Typ von einer richtig großen Agentur hatte sie entdeckt und wollte unbedingt ein Supermodel aus ihr machen, aber ihr Vater war dagegen ... Ich wollte, dass sie dieses Haus nie wieder betritt. Aber Rosalind wollte nichts davon hören. Sie hat gesagt, sie würde Jessica nicht allein lassen. Ist das nicht Wahnsinn? Was für ein Mensch bringt so was fertig? Sie ist zurück in diese Hölle gegangen, um ihre Schwester zu beschützen. Ich kenne niemanden, der so tapfer ist.«
    Wäre er nur zwei, drei Jahre älter gewesen, hätte er nach Rosalinds Geschichte zum nächsten Telefonhörer gegriffen und die Polizei verständigt, das Jugendamt, Gott weiß wen. Aber er war erst neunzehn. Erwachsene waren für ihn noch immer rechthaberische Wesen, die nichts verstanden, denen man nichts erzählte, weil sie sich nur einmischen und alles ruinieren würden. Er war wahrscheinlich nicht mal auf die Idee gekommen, irgendwo um Hilfe zu bitten.
    »Sie hat sogar gesagt

Weitere Kostenlose Bücher