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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Lebensgefährte erstochen wurde.
    »Mr Devlin?«, sagte Cassie. »Ich bin Detective Maddox, und das ist Detective Ryan.«
    Seine Augen weiteten sich. »Von der Vermisstenstelle?« Er hatte Schmutz an den Schuhen, und die Hosenbeine waren unten nass. Er war sicher draußen gewesen und hatte nach seiner Tochter gesucht, irgendwo auf den falschen Feldern, und war kurz nach Hause gekommen, um etwas zu essen, ehe er wieder loszog.
    »Nicht direkt«, sagte Cassie sanft. Solche Gespräche überlasse ich meist ihr, nicht bloß aus Feigheit, sondern auch, weil wir beide wissen, dass sie das viel besser kann. »Dürfen wir reinkommen?«
    Er starrte auf die Schüssel, stellte sie unbeholfen auf dem kleinen Tisch in der Diele ab. Etwas Milch schwappte auf einen Schlüsselbund und eine rosa Kindermütze. »Was soll das heißen?«, fragte er schroff. Die Angst ließ seine Stimme aggressiv klingen. »Haben Sie Katy gefunden?«
    Ich hörte ein leises Geräusch und blickte über seine Schulter. Ein Mädchen stand am Fuß der Treppe und hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest. Im Haus war es trotz des sonnigen Nachmittags dämmerig, aber ich sah ihr Gesicht, und es durchbohrte mich mit einem leuchtenden Splitter des Grauens. Einen wirbelnden Augenblick lang wusste ich, dass ich einen Geist sah. Es war unser Opfer: Es war das tote Mädchen auf der Steinplatte. Ich hatte ein Rauschen in den Ohren.
    Natürlich kam die Welt fast sofort wieder ins Lot, das Tosen legte sich, und ich begriff, was ich da vor mir sah. Wir würden das Foto der Toten nicht benötigen. Auch Cassie hatte sie gesehen. »Wir sind uns noch nicht ganz sicher«, sagte sie. »Mr Devlin, ist das Katys Schwester?«
    »Jessica«, sagte er heiser. Das Mädchen kam zögerlich näher. Ohne Cassies Gesicht aus den Augen zu lassen, griff Devlin nach hinten, fasste seine Tochter an die Schulter und zog sie vor sich. »Sie sind Zwillinge«, sagte er. »Eineiig. Ist das – Sind Sie ... Haben Sie ein Mädchen gefunden, das so aussieht?« Jessica starrte auf irgendeinen Punkt zwischen mir und Cassie. Ihre Arme hingen schlaff herab, und die Hände verschwanden in einem zu großen grauen Pullover.
    »Bitte, Mr Devlin«, sagte Cassie. »Wir müssen hereinkommen und ungestört mit Ihnen und Ihrer Frau reden.« Sie blickte kurz auf Jessica. Devlin schaute nach unten, sah seine Hand auf ihrer Schulter und nahm sie verschreckt weg. Sie blieb mitten in der Luft hängen, als hätte er vergessen, was er damit machen sollte.
    Inzwischen wusste er es, natürlich wusste er es. Wäre sie lebend gefunden worden, hätten wir das längst gesagt. Trotzdem wich er automatisch von der Tür zurück, deutete vage zur Seite, Richtung Wohnzimmer, und wir traten ein. Ich hörte ihn sagen: »Geh wieder nach oben zu deiner Tante Vera.« Dann schloss er die Tür und kam hinter uns her.
    Das Schreckliche an dem Wohnzimmer war seine Normalität, wie aus einer Fernsehsatire über das Leben in der Vorstadt. Häkelgardinen, geblümte Couchgarnitur mit kleinen Deckchen auf den Armlehnen, eine Sammlung hübscher Teekannen auf einer Kommode, alles makellos poliert und abgestaubt. Es wirkte viel zu alltäglich – das tun die Wohnräume von Opfern und sogar Tatorte meistens – für dieses Ausmaß an Tragik. Die Frau, die in einem Sessel saß, passte zum Zimmer: schwer, wuchtig und formlos, mit einem Helm aus dauergewelltem Haar und großen blauen Augen mit hängenden Lidern. Von der Nase zu den Mundwinkeln zogen sich tiefe Falten.
    »Margaret«, sagte Devlin. »Die Herrschaften sind von der Polizei.« Seine Stimme klang angespannt wie eine Gitarrensaite, aber er ging nicht zu ihr. Er blieb neben dem Sofa stehen und ballte die Fäuste in den Taschen seiner Strickjacke. »Was wollen Sie?«, stieß er hervor.
    »Mr und Mrs Devlin«, sagte Cassie, »wir haben leider eine traurige Nachricht für Sie. Auf dem Gelände der archäologischen Ausgrabung wurde die Leiche eines Mädchens gefunden. Wir fürchten, dass es sich um Ihre Tochter Katharine handelt. Es tut mir unendlich leid.«
    Margaret Devlin stieß die Luft aus, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen. Erste Tränen liefen ihr über die Wangen, aber sie schien es nicht zu merken.
    »Sind Sie sicher?«, zischte Devlin. Seine Augen waren riesig. »Wieso sind Sie sicher?«
    »Mr Devlin«, sagte Cassie sanft, »ich habe das Mädchen gesehen. Es sieht genauso aus wie Ihre Tochter Jessica. Wir werden Sie bitten müssen, den Leichnam morgen zu

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