Grabesgrün
Treppe herunter und blieb ein paar Minuten unsicher und händeringend in der Diele stehen, ehe sie sich langsam in die Küche zurückzog. Rosalind rieb Jessicas schlaffe Finger.
Katy war ein gutes Kind, sagten sie, aufgeweckt, aber nicht überragend in der Schule, mit einer Leidenschaft fürs Ballett. Sie war jähzornig, sagten sie, aber es hatte keinen aktuellen Streit mit ihrer Familie oder irgendwelchen Freundinnen gegeben. Sie nannten uns die Namen der engsten Freundinnen, damit wir das überprüfen konnten. Sie war noch nie von zu Hause weggelaufen. In letzter Zeit war sie glücklich gewesen, voller Vorfreude auf die Ballettschule. Sie interessierte sich noch nicht für Jungen, sagte Jonathan, sie war doch erst zwölf, herrje; doch ich sah, dass Rosalind rasch zu ihm rüberschielte und dann zu mir, und ich nahm mir vor, bei Gelegenheit mit ihr über ihre Eltern zu reden.
»Mr Devlin«, sagte ich, »wie war Ihr Verhältnis zu Katy?« Jonathan starrte mich an. »Was wollen Sie damit andeuten? Was soll die blöde Frage?«, sagte er drohend. Jessica stieß ein schrilles hysterisches Lachen aus, und ich zuckte zusammen. Rosalind spitzte die Lippen, sah Jessica an und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf, dann tätschelte sie ihr beruhigend die Hand und lächelte ein ganz klein wenig. Jessica senkte den Kopf und schob sich wieder eine Haarsträhne in den Mund.
»Niemand will hier irgendwas andeuten«, sagte Cassie mit Nachdruck, »aber wir müssen nachweisen können, dass wir jede Möglichkeit untersucht und ausgeschlossen haben. Wenn wir den Täter fassen – und das werden wir –, und es stellt sich heraus, dass wir irgendwas ausgelassen haben, dann wird seine Verteidigung das für ihre Zwecke ausschlachten. Ich weiß, es ist schmerzlich, diese Fragen zu beantworten, aber glauben Sie mir, Mr Devlin, es wäre noch schmerzlicher, wenn Sie erleben müssten, dass der Täter ungestraft davonkommt, weil wir gerade diese Fragen nicht gestellt haben.«
Jonathan atmete durch die Nase ein und entspannte sich ein wenig. »Mein Verhältnis zu Katy war großartig«, sagte er. »Sie hat mit mir über alles geredet. Wir standen uns nahe. Ich ... vielleicht hab ich sie ein bisschen verhätschelt.« Ein Zucken von Jessica, ein rasches Aufblicken von Rosalind. »Wir haben uns auch mal gestritten, klar, wie das so ist zwischen Vater und Tochter, aber sie war eine wunderbare Tochter und ein wunderbares Mädchen, und ich habe sie geliebt.« Zum ersten Mal wurde seine Stimme brüchig. Er riss wütend den Kopf hoch.
»Und Sie, Mrs Devlin?«, sagte Cassie.
Margaret zerfledderte ein Papiertaschentuch in ihrem Schoß. Sie sah auf, gehorsam wie ein Kind. »Natürlich sind sie alle drei großartig«, sagte sie. Ihre Stimme war belegt und zittrig. »Katy war ... ein Schatz. Sie hat nie Probleme gemacht. Ich weiß nicht, wie wir ohne sie leben sollen.« Ihr Mund bebte.
Rosalind und Jessica fragten wir nicht. Kinder sagen kaum je die Wahrheit über ihre Geschwister, wenn die Eltern dabei sind, und wenn ein Kind erst mal gelogen hat, vor allem ein noch jüngeres und so verwirrtes Kind wie Jessica, nistet sich die Lüge in seinem Kopf ein, und die Wahrheit verblasst. Später würden wir die Devlins um Erlaubnis bitten, mit Jessica und – falls sie unter achtzehn war – mit Rosalind allein zu sprechen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass das leicht werden würde.
»Fällt Ihnen vielleicht irgendjemand ein, der Katy aus irgendwelchen Gründen schaden wollte?«, fragte ich.
Einen Moment lang sagte keiner etwas. Dann stieß Jonathan seinen Stuhl nach hinten und stand auf. »Herrgott«, sagte er. Er schwang den Kopf hin und her, wie ein gefangener Bulle. »Die Anrufe.«
»Anrufe?«, wiederholte ich.
»Verdammt. Ich bring ihn um. Sie sagen, man hat sie auf dem Gelände der Ausgrabung gefunden?«
»Mr Devlin!«, sagte Cassie. »Bitte setzen Sie sich und erzählen Sie uns von den Anrufen.«
Langsam wandte er sich ihr zu. Er setzte sich, aber in seinem Blick lag etwas Abwesendes, und ich hätte wetten können, dass er überlegte, wie er diesen ominösen Anrufer am besten zur Strecke bringen konnte. »Sie wissen von der Schnellstraße, die durch das Ausgrabungsgelände gebaut werden soll, nicht wahr?«, sagte er. »Die meisten Leute hier sind dagegen. Einige wenige interessieren sich mehr dafür, welche Wertsteigerung das für ihre Häuser bedeutet, wenn die Straße direkt an der Siedlung vorbeiführt, aber die meisten von uns ... Das
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