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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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identifizieren, aber ich habe leider keinen Zweifel, dass es Katharine ist. Mein Beileid.«
    Devlin drehte sich rasch weg zum Fenster und presste ein Handgelenk gegen den Mund, verzweifelt und mit weit aufgerissenen Augen.
    »Oh Gott«, sagte Margaret. »Oh Gott, Jonathan –«
    »Was ist mit ihr passiert?«, fiel Devlin ihr brüsk ins Wort. »Wie ist sie – wie –«
    »Es deutet alles auf Mord hin«, sagte Cassie.
    Margaret hievte sich mit langsamen Unterwasserbewegungen aus dem Sessel hoch. »Wo ist sie?« Tränen strömten ihr übers Gesicht, aber ihre Stimme klang beängstigend ruhig, schon fast munter.
    »Unsere Mediziner untersuchen sie«, sagte Cassie behutsam. Wäre Katy anders gestorben, hätten wir sie vielleicht zu ihr gebracht. So jedoch, mit dem eingeschlagenen Schädel und dem Blut im Gesicht ... Nach der Obduktion würde man ihr wenigstens diese entfernbare Schicht des Grauens abwaschen.
    Margaret sah sich benommen um und klopfte geistesabwesend auf die Taschen in ihrem Rock. »Jonathan. Ich weiß nicht, wo ich meine Schlüssel hab.«
    »Mrs Devlin«, sagte Cassie und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Wir können Sie leider noch nicht zu Katy bringen. Sie muss erst untersucht werden. Wir sagen Ihnen sofort Bescheid, wenn Sie zu ihr können.«
    Margaret drehte sich ruckartig von ihr weg, ging zeitlupenartig zur Tür und wischte sich dabei mit unsicherer Hand die Tränen aus dem Gesicht. »Katy. Wo ist sie?« Cassie warf einen flehenden Blick nach hinten zu Devlin, doch der hatte beide Handflächen gegen die Fensterscheibe gepresst und starrte blicklos nach draußen. Er atmete zu schnell und zu heftig.
    »Bitte, Mrs Devlin«, sagte ich beschwörend und versuchte, mich unauffällig zwischen sie und die Tür zu schieben. »Ich verspreche Ihnen, wir bringen Sie zu Katy, sobald wir können, doch im Moment geht das nicht. Es ist einfach nicht möglich.«
    Sie starrte mich an, ihre Augen waren rot, und ihr Mund stand offen. »Mein Baby«, keuchte sie. Dann sackten ihre Schultern herab, und sie begann, mit tiefen, heiseren, wilden Schluchzern zu weinen. Ihr Kopf fiel nach hinten, und sie wehrte sich nicht, als Cassie sie sachte bei den Schultern fasste und langsam zurück zum Sessel führte.
    »Wie ist sie gestorben?«, wollte Jonathan wissen, während er weiter aus dem Fenster stierte. Die Worte waren undeutlich, als wären seine Lippen gefühllos. »Wie?«
    »Das können wir erst sagen, wenn die medizinische Untersuchung abgeschlossen ist«, sagte ich. »Wir werden Sie über alles auf dem Laufenden halten.«
    Ich hörte schnelle Schritte die Treppe herunterkommen. Die Tür flog auf, und eine junge Frau stand im Türrahmen. Hinter ihr in der Diele war Jessica. Sie lutschte auf einer Haarsträhne und starrte uns an.
    »Was ist los?«, fragte die junge Frau atemlos. »Oh Gott – geht es um Katy?«
    Niemand antwortete. Margaret presste eine Faust vor den Mund, wodurch ihr Schluchzen wie ein furchtbares Würgen klang. Die junge Frau blickte von einem zum anderen. Sie war groß und schlank, und ihr Alter war schwer zu schätzen – achtzehn oder vielleicht schon zwanzig, aber sie war wesentlich gekonnter geschminkt, als ich es je bei einem jungen Mädchen gesehen hatte, und sie trug eine maßgeschneiderte schwarze Hose, hochhackige Schuhe und eine weiße, teuer aussehende Bluse mit einem lila Seidenschal um den Hals. Sie hatte eine lebhafte, elektrisierende Ausstrahlung, die den Raum erfüllte. In diesem Haus wirkte sie völlig und erschreckend deplatziert.
    »Bitte«, sagte sie flehend an mich gewandt. Ihre Stimme war hell und klar und kräftig, und auch das schien nicht zu Jonathans und Margarets gedämpfter Kleinbürgeridylle zu passen. »Was ist passiert?«
    »Rosalind«, sagte Jonathan. Er klang heiser und räusperte sich. »Man hat Katy gefunden. Sie ist tot. Jemand hat sie ermordet.«
    Jessica gab einen leisen wortlosen Ton von sich. Rosalind starrte ihn einen Moment an. Dann flatterten ihre Augenlider, und sie taumelte, versuchte, sich mit einer Hand am Türrahmen festzuhalten. Cassie umfasste ihre Taille und führte sie zum Sofa.
    Rosalind legte den Kopf nach hinten auf die Lehne und lächelte Cassie schwach, aber dankbar an. Cassie lächelte zurück. »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«
    »Ich hol eins«, sagte ich. In der Küche – sauberer Linoleumboden, lackierter, nachgemachter Bauerntisch mit passenden Stühlen – drehte ich den Wasserhahn auf und sah mich rasch um. Nichts Auffälliges,

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