Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
eingestehen.
    »Klar«, sagte Cassie. »Aber später, ja? Wir müssen jetzt mit O’Kelly sprechen, sonst kriegt er noch ein Aneurysma. Er hat mir eine SMS geschickt, als du im Keller warst. Ich hätte nicht gedacht, dass er simsen kann, du etwa?«

    Ich rief O’Kelly an, dass wir wieder im Hause seien, worauf er sagte: »Na endlich. Was habt ihr denn die ganze Zeit gemacht, einen kleinen Quickie hingelegt?«, und dann befahl er uns in sein Büro, aber dalli.
    Außer O’Kellys Schreibtischsessel gibt es dort nur einen weiteren Sessel, eins von diesen ergonomischen Lederimitatdingern. Die Message ist, dass man bloß nicht zu viel von seiner Zeit und seinem Raum in Anspruch nehmen soll. Ich nahm in dem Sessel Platz, und Cassie setzte sich auf den Tisch hinter mir. O’Kelly warf ihr einen gereizten Blick zu.
    »Beeilen Sie sich«, sagte er. »Ich hab einen Termin um acht.« Seine Frau hatte ihn im Jahr davor verlassen. Seitdem war in der Gerüchteküche die Rede von einer ganzen Reihe unbeholfener Versuche, eine neue Beziehung zu finden, darunter auch ein spektakulär gescheitertes Blind Date mit einer Frau, die sich als Exnutte entpuppte, die er während seiner Zeit bei der Sitte regelmäßig hopsgenommen hatte.
    »Katharine Devlin, zwölf Jahre alt«, sagte ich.
    »Die Identifizierung ist eindeutig?«
    »Zu neunundneunzig Prozent«, sagte ich. »Wir werden einem Elternteil die Leiche zeigen, nachdem die Pathologie sie zurechtgemacht hat, aber Katy Devlin war ein eineiiger Zwilling, und ihre Schwester sieht haargenau so aus wie das Opfer.«
    »Spuren, Verdächtige?«, blaffte er. Er trug eine ziemlich schicke Krawatte, wahrscheinlich für sein Date, und er hatte zu viel Aftershave aufgetragen. Ich wusste nicht welches, aber es roch teuer. »Ich muss morgen eine Pressekonferenz geben. Also: Ich will was hören.«
    »Man hat ihr den Schädel eingeschlagen und sie erstickt, vermutlich vergewaltigt«, sagte Cassie. Das Neonlicht warf graue Schatten unter ihre Augen. Sie sah zu müde und zu jung aus, um diese Worte so ruhig auszusprechen. »Genaueres wissen wir erst morgen Vormittag nach der Obduktion.«
    »Morgen?« O’Kelly war außer sich. »Sagen Sie diesem dämlichen Cooper, er soll das vordringlich behandeln.«
    »Schon geschehen, Sir«, sagte Cassie. »Er hatte heute Nachmittag einen Gerichtstermin und meinte, schneller als morgen früh ginge es nicht.« (Cooper und O’Kelly können einander nicht ausstehen; in Wahrheit hatte Cooper gesagt: »Seien Sie so gut und erklären Sie Mr O’Kelly, dass seine Fälle nicht die einzigen auf dieser Welt sind.«) »Wir haben vier Hauptrichtungen für unsere Ermittlung festgelegt, und –«
    »Gut, das ist gut«, sagte O’Kelly, riss eine Schublade auf und kramte nach einem Stift.
    »Erstens: die Familie«, sagte Cassie. »Sie kennen ja die Statistik, Sir. Die meisten Morde an Kindern werden von den Eltern verübt.«
    »Und mit der Familie stimmt was nicht, Sir«, sagte ich. Das war mein Text. Wir mussten diesen Aspekt rüberbringen, um nötigenfalls etwas Spielraum zu haben, wenn wir die Devlins durchleuchteten, aber hätte Cassie es gesagt, wäre O’Kelly sofort in eine öde Tirade über weibliche Intuition verfallen. Wir hatten den Dreh bei O’Kelly inzwischen ganz gut raus. Unser Zusammenspiel ist so eingeübt und harmonisch wie ein Song der Beach Boys – wir spüren genau, wann wir die Rollen von Frontmann und Backgroundsänger wechseln müssen, von guter Bulle und böser Bulle, wann meine unterkühlte Distanz einen dunklen Gegenton zu Cassies Lässigkeit anschlagen muss –, und wir setzen es sogar gegen die eigenen Leute ein.
    »So ein Bauchgefühl darf man nicht ignorieren«, sagte O’Kelly. »Gefährlich.« Cassies Fuß, der hin und her baumelte, stupste mich in den Rücken.
    »Zweitens«, sagte sie, »müssen wir zumindest die Möglichkeit eines Ritualverbrechens in Erwägung ziehen.«
    »Mein Gott, Maddox. War in der Cosmo diesen Monat vielleicht ein Artikel über Satanismus?« O’Kellys ignoranter Umgang mit Klischees ist derart unverschämt, dass er schon fast wieder Größe hat. Ich finde das je nach Stimmung unterhaltsam oder ärgerlich, aber zumindest kann man sich sehr leicht auf ein Gespräch mit ihm vorbereiten.
    »Ich halte das auch für kompletten Unsinn, Sir«, sagte ich, »aber das ermordete Mädchen wurde auf einem Opferaltar gefunden. Die Reporter haben schon Fragen dazu gestellt. Wir müssen diese Möglichkeit ausschließen können.« Es ist

Weitere Kostenlose Bücher