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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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er sich die Mühe gemacht, sie auf diesen Altar zu legen. Vielleicht ging es darum, sie herzurichten und auszustellen, aber das glaube ich eigentlich nicht. Er hat sie nicht richtig drapiert, nur eben auf die linke Seite gelegt, sodass die Kopfverletzung nicht zu sehen war – erneut ein Versuch, das Verbrechen weniger brutal erscheinen zu lassen. Ich denke, er wollte sie behutsam und mit Respekt behandeln – sie sollte vor Tieren geschützt sein und möglichst bald gefunden werden.« Sie griff nach dem Aschenbecher. »Das Gute dabei ist, falls wir es mit einem aus dem Ruder laufenden Schizophrenen zu tun haben, müsste er ziemlich verhaltensauffällig sein.«
    »Vielleicht war es ein Auftragsmörder«, sagte ich. »Das wäre auch eine Erklärung für den Widerwillen. Irgendwer, vielleicht der geheimnisvolle Anrufer, hat ihm den Auftrag erteilt, aber er hat ihn nicht gern ausgeführt.«
    »Ja«, sagte Cassie, »ein Auftragsmörder, kein Profi, sondern ein Amateur, der dringend Geld brauchte, passt vielleicht sogar noch besser ins Bild. Rob, Katy Devlin war doch offenbar ein ganz vernünftiges Kind, oder?«
    »Nach dem, was man so hört, müsste sie die Normalste in der ganzen Familie gewesen sein.«
    »Ja, finde ich auch. Intelligent, zielstrebig, willensstark –«
    »Nicht der Typ, der nachts mit einem Fremden abhaut.«
    »Genau. Vor allem nicht mit einem Fremden, der sie ganz offensichtlich nicht alle beisammen hat. Ein Schizophrener, der kurz davor ist, die Kontrolle zu verlieren, kann sich nicht mehr normal verhalten, mit so einem wäre sie nie und nimmer mitgegangen. Nein, unser Täter sieht wahrscheinlich ganz passabel aus, wirkt nett, kinderfreundlich – jemand, den sie schon eine Weile kennt. Jemand, bei dem sie sich wohlfühlt. Er hat ihr keine Angst gemacht.«
    »Oder sie«, sagte ich. »Wie schwer war Katy?«
    Cassie blätterte im Obduktionsbericht. »Fünfunddreißig Kilo. Ja, wenn sie nicht allzu weit getragen werden musste, könnte es auch eine Frau getan haben, aber es müsste schon eine ziemlich starke Frau sein. Sophie hat keine Schleifspuren entdeckt. Rein statistisch gesehen, würde ich eher auf einen Mann tippen.«
    »Aber die Eltern scheiden aus?«, fragte Sam hoffnungsvoll.
    Cassie zog ein Gesicht. »Nein. Mal angenommen, Katy wurde von einem Elternteil missbraucht und hat gedroht, es zu verraten. Dann könnten die Eltern sie getötet haben, um die übrige Familie zu schützen. Vielleicht wollten sie ein Sexualverbrechen vortäuschen und haben es nicht übers Herz gebracht, dabei richtig gründlich vorzugehen ... Im Grunde bin ich mir nur in einem Punkt weitestgehend sicher, nämlich dass wir nicht nach einem Psychopathen oder Sadisten suchen – unser Täter wollte sie nicht entwürdigen, und er hat es nicht genossen, sie leiden zu sehen. Wir suchen nach jemandem, der es nicht tun wollte, der glaubte, aus einer Zwangslage heraus zu handeln. Ich glaube nicht, dass er sich in die Ermittlungen drängen wird, er ist keiner, den die viele Aufmerksamkeit antörnt, keineswegs, und ich glaube auch nicht, dass er es in nächster Zeit wieder tun wird, es sei denn, er fühlt sich irgendwie bedroht. Und er ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hier aus der Gegend. Ein echter Profiler könnte bestimmt viel Genaueres sagen, aber ...«
    »Du hast deinen Abschluss am Trinity gemacht, nicht?«, fragte Sam.
    Cassie schüttelte knapp den Kopf und nahm sich eine Kirsche. »Hab im vierten Jahr abgebrochen.«
    »Warum?«
    Sie spuckte den Kirschkern in die hohle Hand und bedachte Sam mit einem Lächeln, das ich gut kannte, ein ungemein süßes Lächeln, das ihr ganzes Gesicht zerknautschte, bis man ihre Augen nicht mehr sehen konnte. »Weil ihr ohne mich doch völlig aufgeschmissen wärt, oder?«
    Ich hätte ihm sagen können, dass sie nicht antworten würde. Ich hatte ihr die Frage im Laufe der Jahre schon mehr als einmal gestellt und eine ganze Palette von Antworten erhalten, von »Da war keiner von deinem Kaliber, den ich hätte ärgern können« bis hin zu »Das Essen in der Mensa war eine Katastrophe«. Cassie war schon immer ein wenig rätselhaft. Aber genau das mag ich an ihr, zumal es eine Eigenschaft ist, die nicht gleich ins Auge fällt. Das schwer Fassbare an ihr ist so verfeinert, dass es schon fast unsichtbar wird. Sie erweckt den Eindruck, als wäre sie beinahe kindlich offen – und das stimmt auch bis zu einem gewissen Grad: Sie macht einem nichts vor. Aber es gibt noch eine Seite an

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