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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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zurück. »Wie ich sehe, sind Sie vom Morddezernat. Was führt Sie hierher?«
    »Dürfte ich Sie zunächst nach Ihrem Namen fragen?«, entgegnete Jane und zückte ihr Notizbuch.
    »Bella Li. Ich leite die Anfänger- und Mittelstufenkurse.«
    »Ihre Schüler sind fantastisch«, meinte Frost voller Bewunderung. Er beobachtete immer noch fasziniert die Teilnehmer bei ihren akrobatischen Verrenkungen.
    »Das hier ist der Mittelstufenkurs. Sie trainieren für eine Kampfkunst-Demonstration nächsten Monat in New York. Im Moment üben sie den Leopardenstil.«
    »Den Leopardenstil?«
    »Das ist eine der uralten Tiertechniken aus Nordchina. Der Leopard arbeitet mit Schnelligkeit und Aggressivität; das sehen Sie bei dieser Übung. Jede Tiertechnik spiegelt die besonderen Eigenschaften des entsprechenden Tiers wider. Die Schlange ist listig und geschmeidig. Der Kranich zeichnet sich durch gute Balance und gewandtes Ausweichen aus. Der Affe ist schnell und schlau. Jeder Schüler sucht sich das Tier aus, das am besten zu seinem Charakter passt, und diesen Stil sucht er dann zu perfektionieren.«
    Frost lachte. »Erinnert mich an diese Kung-Fu-Filme.«
    Mit dieser Bemerkung erntete er einen eisigen Blick. »Der korrekte Name dieser Kunst ist Wushu, und sie wurde vor Tausenden von Jahren erfunden. Was Sie in diesen Filmen sehen, ist oberflächlicher Hollywood-Mist.« Sie hielt inne, da die Schüler inzwischen die Übung beendet hatten und sie in Erwartung neuer Anweisungen ansahen. »Holen Sie die Schwerter für die Trainingskämpfe«, ordnete sie an, worauf die Schüler zu einem Gestell mit hölzernen Übungsschwertern gingen und sich je eines nahmen.
    »Können wir mit dem Inhaber sprechen?«, fragte Jane.
    »Sifu Fang ist im Hinterzimmer und unterrichtet einen Privatschüler.«
    »Könnten Sie den Namen buchstabieren? Wie war das, Si…«
    »Sifu ist kein Name«, unterbrach Bella sie. »Das ist das chinesische Wort für ›Meister‹ oder ›Lehrer‹. Ein Ehrentitel.«
    »Dürften wir dann bitte den Meister sprechen?«, gab Jane zurück, verärgert über die überhebliche Art der jungen Frau. »Das hier ist kein Privatbesuch, Miss Li. Es handelt sich um eine offizielle Ermittlung.«
    Bella schien über ihre Bitte nachzudenken. Inzwischen hatten die Schüler mit dem Training begonnen, und der Raum hallte wider vom Klackern der Holzschwerter. »Einen Augenblick«, sagte sie schließlich. Sie klopfte an eine Tür, öffnete sie nach einer respektvollen Pause und kündigte an: »Sifu, da sind zwei Polizisten, die dich sprechen wollen.«
    »Schick sie herein«, war eine weibliche Stimme zu vernehmen.
    Im Gegensatz zu der geschmeidigen jungen Bella Li bewegte sich die Chinesin, die sich von ihrem Stuhl erhob, um sie zu begrüßen, langsam und schwerfällig, als sei sie von Gelenkschmerzen geplagt. Dabei schien sie nicht viel älter als fünfzig zu sein; ihre Gesichtshaut war noch fast jugendlich glatt, ihr langes schwarzes Haar nur mit wenigen Silberfäden durchsetzt. Sie trat den Besuchern mit dem selbstsicheren Gebaren einer Herrscherin entgegen. Obwohl sie genauso groß war wie Jane, ließ ihre majestätische Haltung sie weit größer wirken. Neben ihr stand ein kleiner blonder Junge von vielleicht sechs Jahren, der eine Kampfsportuniform trug und einen Holzstab in der Hand hielt, der fast so groß war wie er selbst.
    »Ich bin Iris Fang«, stellte die Frau sich vor. »Was kann ich für Sie tun?« Ihre förmliche Art wie auch ihr Akzent verrieten Jane, dass sie im Ausland geboren war.
    »Detective Rizzoli und Detective Frost«, sagte Jane. Sie sah den kleinen Jungen an, der ihren Blick ohne Scheu und mit herausfordernder Miene erwiderte. »Könnte Ihr Schüler bitte den Raum verlassen? Was wir mit Ihnen zu besprechen haben, ist vertraulich, Ma’am.«
    Iris nickte. »Bella, bring Adam nach nebenan, er soll dort auf seine Mutter warten.«
    »Aber Sifu«, protestierte der Junge. »Ich wollte Ihnen doch zeigen, wie ich mit dem Affenstab geübt habe!«
    Iris sah ihn an und lächelte. »Das kannst du mir nächste Woche zeigen, Adam«, sagte sie und fuhr ihm zärtlich mit den Fingern durchs Haar. »Affen müssen auch Geduld lernen. Und jetzt geh.« Das Lächeln verweilte noch auf ihren Lippen, als Bella den Jungen schon hinausgeführt hatte.
    »Dieser kleine Knirps ist ein Kampfkunst-Schüler?«, fragte Frost.
    »Er besitzt sowohl Talent als auch Leidenschaft. Ich vergeude meine Kräfte nicht mit ungeeigneten Kandidaten.« Das Lächeln

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