Grabesstille
zu beleuchten, wurde es mit einem Schlag blendend hell. Während einer der Kriminaltechniker den Raum mit der Videokamera filmte, nahm sein Partner die Behälter mit Chemikalien aus einer Kühlbox. Jetzt, da es hell war, erkannte Maura die beiden Männer vom Tatorttrupp auf dem Dach wieder.
Der Mann mit der Kamera machte einen langsamen Schwenk durch den Saal und blickte dann auf. »Okay, Ed? Können wir loslegen?«
»Sobald alle ihre Ausrüstung angelegt haben«, erwiderte Ed. »Die Masken sind in der Kiste dort. Müssten eigentlich genug für alle da sein.«
Tam reichte Maura eine Schutzbrille und eine Atemmaske, die sie übers Gesicht zog, um sich vor den Luminoldämpfen zu schützen. Erst als alle ihre Masken angelegt hatten, begann Ed – wenigstens kannte sie jetzt den Namen des großen Dünnen –, die Chemikalien zu mischen. Er rührte die Lösung in einem Glas an und füllte sie dann in eine Sprühflasche um. »Möchte jemand den Beleuchter machen?«
»Ich kann das übernehmen«, sagte Frost.
»Es wird stockfinster sein hier drin, also bleiben Sie neben der Lampe stehen, sonst müssen Sie ständig nach dem Schalter tasten.« Ed sah sich im Raum um. »Wo wollen Sie denn anfangen?«
»Hier«, antwortete Jane und deutete auf den Bereich vor der Kassentheke.
Ed nahm seine Position ein und sah dann zu Frost herüber. »Licht aus!«
Alles wurde schwarz, und die Dunkelheit schien das Geräusch von Mauras Atem unter der Schutzmaske zu verstärken. Nur ganz leise hörte sie das Zischen des Zerstäubers, als Ed einen feinen Nebel aus Luminol versprühte. Plötzlich leuchtete auf dem Boden ein bläuliches geometrisches Muster auf, als das Luminol mit den Resten von altem Hämoglobin reagierte. Wo immer Blut auf einen Fußboden tropft oder spritzt oder fließt, hinterlässt es einen solchen Widerschein. Vor neunzehn Jahren war Blut in dieses Linoleum gesickert und hatte sich so hartnäckig in Spalten und Ritzen festgesetzt, dass es sich nie vollständig würde entfernen lassen, auch nicht durch noch so gründliches Wischen und Scheuern.
»Licht an!«
Frost betätigte den Schalter, und sie standen alle blinzelnd im grellen Schein. Das bläuliche Leuchten war verschwunden; stattdessen war da nur das gleiche Stück Boden, das sie zuvor gesehen hatten.
Tam blickte von den Tatortfotos aus dem Red Phoenix auf, die er auf seinen Laptop geladen hatte. »Stimmt mit dem überein, was ich hier sehe«, sagte er. »Keine Überraschungen. Das ist genau die Stelle, wo Joey Gilmores Leiche gefunden wurde.«
Nun trugen sie die Kamera mit dem Stativ zu der Nische hinter der Theke, und alle nahmen ihre Positionen ein. Wieder ging das Licht aus, wieder hörten sie das Zischen der Sprühflasche, und ein anderes Stück Boden leuchtete in einer Art Schachbrettmuster auf. Hier war James Fang gestorben. Auch die Wand erstrahlte in gespenstischem Blau, bespritzt mit dem Blut des Kellners, die Flecken wie das verhallende Echo eines Schreis.
In diesem Haus warteten noch mehr Schreie darauf, endlich gehört zu werden.
Sie gingen weiter in die Ecke, wo die Mallorys ihren Verletzungen erlegen waren. Zwei Leichen, das bedeutete die doppelte Anzahl von Blutspritzern, und hier waren die Schreie am lautesten, ein grausiges Schauspiel aus Spritzern und Flecken, die in der Dunkelheit aufleuchteten und langsam wieder verblassten.
Frost schaltete das Licht ein, und eine Weile standen sie alle schweigend da, die Blicke auf das Stück ausgetretenen Linoleums gesenkt, das noch vor Sekunden so hell aufgeleuchtet hatte. Nichts hatte sie bisher überrascht, und doch war das, was sie gesehen hatten, verstörend genug.
»Gehen wir weiter in die Küche«, sagte Jane.
Sie traten durch die Tür. In diesem Raum schien es kälter zu sein, so kalt, dass Maura eine Gänsehaut bekam. Sie blickte sich um, sah einen Kühlschrank, eine alte Dunstabzugshaube und einen Herd. Hier war der Boden aus Beton, eine praktische Lösung für einen Raum, in dem immer wieder Fett- und Soßenspritzer aufgewischt werden mussten. Und auch Blut. Sie stand fröstelnd neben der Kellertür, während das Team Scheinwerfer, Kameras und Chemikalien aus dem Speisesaal hereintrug.
Nachdem der Raum hell erleuchtet war, blickten Ed und sein Partner sich stirnrunzelnd um.
»Die Küchengeräte da drüben sehen ganz schön verrostet aus«, meinte Ed. »Das Zeug wird mit dem Luminol reagieren und aufleuchten.«
»Uns geht es um den Fußboden«, erklärte Maura. »Genau an dieser Stelle
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