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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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auf Newlys Karte, belastete mich dieser Anblick der Gegend nicht so sehr, wie ich befürchtet hatte. Es machte mich ein bisschen nervös, zu sehen, wo ich die Höhle, den Kojotenbaum und die Gräber markiert hatte. Doch auch das geschah schließlich aus der Distanz.
    A propos Distanz: Mir fiel auf, dass ich auf meiner Karte die Ranger-Station nicht sehen konnte. Ich spürte, wie sich in meinem Magen ein Knoten bildete. Distanz. Wie hatte Parrish die Distanz zurückgelegt?
    Ich begriff, dass dies eine Frage war, die ich mir normalerweise schon vor Monaten gestellt hätte. Doch in den letzten Monaten hatte ich mich bewusst darum bemüht, sämtliche Gedanken und jeden Bezug auf das, was in der Woche um den vierzehnten Mai passiert war, zu verdrängen. Ich half Ben, arbeitete lange und führte drei große Hunde aus. Ich tat mein Bestes, um am Ende jedes Tages zu erschöpft zu sein, um mich zu sorgen oder zu träumen. Ich versuchte zu vergessen, dass ich dieses Flugzeug je bestiegen hatte.
    Oh, es funktionierte wie ein Zauber. Überall, wohin ich auch ging, sah ich Nick Parrish auf mich losgehen. Ich hatte entsetzliche Albträume über die Wiese. Ich warf Computer durch Glaswände.
    Und ich versäumte es, die Fragen zu stellen, die ich hätte stellen sollen.
    Also rief ich Ben Sheridan an. Als ich ihn am Apparat hatte, fragte ich ihn nach J. C.s Telefonnummer.
    »Die kann ich Ihnen geben«, meinte er. »Aber J. C. ist gerade hier.«
    »Kann ich ihn sprechen?«
    »Sicher.«
    J. C. und ich begrüßten uns, dann fragte ich: »Wie lang haben Sie gebraucht, um von der Ranger-Station zur Wiese zu kommen?«
    »Mit dem Wagen?«
    »Sie konnten die ganze Strecke fahren?«
    »Nein. Ich habe für einen Teil des Weges eine Schotterstraße benutzt – seinerzeit eine Schlammstraße – und bin den Rest gewandert. Mal sehen – ich bin etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang losgegangen und am frühen Nachmittag an der Wiese angekommen. Es war neblig, als ich aufgebrochen bin. Ich bin so schnell gefahren, wie ich es unter diesen Bedingungen wagen konnte, also nicht besonders schnell.« Er hielt inne und sagte dann: »Ich habe an diesem Morgen nicht besonders klar gedacht, Irene, daher fällt es mir schwer, die Zeit zu schätzen. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Als ich am Ende der Straße angelangt war, bin ich, glaube ich, noch vier Stunden gewandert, aber auch da bin ich mir nicht sicher. Warum fragen Sie?«
    »Ich habe mir gerade ein paar Gedanken gemacht. Haben Sie und Ben zum Abendessen schon etwas vor?«
    »Noch nicht.«
    »Wenn Ben unsere Gesellschaft wieder ertragen kann, kommen Sie doch zum Essen vorbei. Ich habe eine Theorie, die ich mit Ihnen besprechen möchte. Und sagen Sie Ben, er soll Bingle mitbringen.«
    Wir vereinbarten, dass sie um sieben kommen würden. Ich rief Frank an.
    »Hi«, sagte er. »Das war wohl Gedankenübertragung. Ich habe gerade mit einer Bekannten von dir gesprochen. Gillian Sayre hat angerufen.«
    Eine Welle von Schuldgefühlen überflutete mich. Ich hatte sie seit dem Tag nicht mehr angerufen, als sie zum Express gekommen war und sich nach der Leiche ihrer Mutter erkundigt hatte. »Gillian? Was wollte sie denn?«
    »Sie hat versucht, dich bei der Zeitung zu erreichen, aber anscheinend ist deine Voice-Mailbox voll, und der Express sagt niemandem etwas über deinen Urlaub. Sie hat sogar vor dem Gebäude auf dich gewartet, aber als sie dich ein paar Tage nicht gesehen hat, hat sie beschlossen, mich anzurufen.«
    »Oh.«
    »Ich habe ihr erzählt, du würdest dir nur dringend notwendige Ferien gönnen.«
    »Danke, Frank. Ich weiß, ich hätte sie schon längst anrufen sollen, aber …«
    »Sie hat nicht angerufen, um dich zu bedrängen. Sie hat die Artikel über die Unbekannte im Müllcontainer gelesen und sich Sorgen um dich gemacht. Außerdem meinte sie, sie sei nie dazu gekommen, sich bei dir dafür zu bedanken, dass du am Tag nach deiner Rückkehr mit ihr gesprochen hast.«
    »Ich rufe sie an«, sagte ich. »Seit damals, direkt nach meiner Rückkehr, habe ich mich weder bei ihr noch bei Giles gemeldet.«
    Frank kennt mich zu gut, um meinen Widerwillen zu überhören. »Überfordere dich nicht«, sagte er. »Du hast eine Menge durchgemacht. Vielleicht ist momentan nicht der günstigste Zeitpunkt, um mit den Sayres zu reden.«
    »Vielleicht hast du Recht. Ich weiß es einfach nicht. Ich will mich nicht verkriechen.«
    Er lachte. »So wie du dich vor Wrigley verkrochen hast?«
    »Schau nur, was mir das

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