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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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machen sich kleiner und schlanker. Und manchmal ändern sich Haarfarbe oder Gewicht, nachdem der Führerschein ausgestellt wurde.«
    »Aber die Identifizierungen passen zusammen?«
    »Ich bin nicht über sämtliche Frauen im Bilde. Viele andere Polizeidienststellen haben mit dem Fall zu tun bekommen, seit wir dort oben waren, daher ist es inzwischen nicht mehr damit getan, die gewohnten Informationsquellen der Zeitung anzuzapfen. Aber einer unserer Reporter hat erfahren, dass neun der Frauen vorbestraft waren – wegen Prostitution.«
    »Und Prostituierte sind seit jeher die leichteste Beute für einen Mann wie Parrish«, sagte er grimmig. »Stammten die Frauen alle aus Las Piernas?«
    »Die meisten, aber nicht alle. Sie kommen aus verschiedenen Städten in Südkalifornien, aber alle diese Städte haben eines gemeinsam.«
    »Einen Flughafen?«
    Ich nickte. »Offenbar benutzt Parrish die Wiese schon seit Jahren. Es gibt noch viele Fragen, die erst beantwortet werden können, wenn sämtliche Gerichtsmediziner ihre Arbeit abgeschlossen haben.«
    »Elf. Elf Frauen!«
    »Die Polizei glaubt, dass irgendwo in der Nähe noch eine zwölfte liegt, weil an dem Baum ein Dutzend Kojoten hingen. Ich glaube ja, er könnte Kara Lane gegolten haben.«
    »Die Frau, deren Ermordung zu seiner Festnahme geführt hat? Die, deren Leiche am Flughafen gefunden wurde. Ja, das kann gut sein.«
    »Nur eine Theorie.«
    »Und jetzt hat er eine Frau hier ermordet und diese zwei Frauen in Oregon!«, sagte er.
    »Ja. Die Arzthelferin und die Empfangsdame.«
    »Hat man eigentlich je herausgefunden, wo –«
    »Wo die Beine der Empfangsdame sind? Nein.«
    Nach langem Schweigen sagte er: »Er läuft sich gerade erst warm, was?«
    »Mag sein.«
    Er wirkte niedergeschlagener als bei meiner Ankunft. Ich brachte es nicht fertig, ihn in diesem Zustand allein zu lassen.
    »Frank hat mich gebeten, Ihnen dafür zu danken, dass Sie ihm bei der Suche nach mir geholfen haben. Ich bin Ihnen auch dankbar, Phil. Sie haben damit ein Risiko auf sich genommen, und das aus reiner Gefälligkeit.«
    Er sah mich mit dermaßen gehetzter Miene an, dass ich eine Hand ausstreckte und sie ihm auf die Schulter legte.
    »Denken Sie wirklich manchmal so an mich – als jemand, der Ihnen geholfen hat?«, wollte er wissen.
    »Ja, ich bin Ihnen dankbar. Nicht nur, weil Sie mir geholfen haben, von dort wegzukommen – Sie haben wahrscheinlich auch Ben das Leben gerettet. Wenn er noch viele Stunden ohne ärztliche Hilfe da oben in den Bergen verbracht hätte, hätte ihn die Infektion womöglich umgebracht. Und das Eintreffen des Hubschraubers hat Parrish vermutlich abgeschreckt, bevor er dazu kam, mich im Wald zu stellen. Wenn Sie Frank nicht geholfen hätten, hätte er uns nicht so schnell gefunden.«
    Er blickte erneut auf die Karte hinab und sagte: »Vielen Dank. Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich groß getan habe. Es waren Frank und seine Freunde, die sich wirklich ins Zeug gelegt haben. Er war an diesem Tag so voller Angst um Sie, so entschlossen, Sie zu finden, dass er den Ärger mit seiner Dienststelle riskiert hat, indem er mich aufgesucht hat. Es wäre unmenschlich gewesen, nicht ein klein wenig zu helfen.«
    Wir redeten noch ein Weilchen, aber ich war immer noch besorgt um ihn, und so fragte ich ihn beim Gehen nach seiner Telefonnummer. »Ich würde gern Kontakt zu Ihnen halten, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte ich. »Frank möchte Sie auch noch mal sprechen.«
    Er lächelte. »Ich würde ihn auch gern sprechen. Vor allem jetzt, wo wir uns nicht als Gegner vor Gericht gegenüberstehen.«
    Er notierte die Nummer und reichte mir den Zettel. »Danke, dass Sie vorbeigekommen sind, Irene.«
    »Das hätte ich schon vor Monaten tun sollen«, sagte ich. »Es war … es hat mir geholfen, heute mit Ihnen zu sprechen.«
    »Mir auch«, gestand er. »Kommen Sie jederzeit wieder.« Er lächelte und fügte hinzu: »Jetzt ist es ja nicht mehr so teuer, mit mir zu reden – keine Stunden, die in Rechnung gestellt werden.«
    Als ich vor seinem Haus in den Van stieg, sah ich einen grünen Honda Accord davonfahren. Ich hätte schwören können, dass Nick Parrish am Steuer saß. Ich holte tief Luft, ließ den Van an und fuhr vom Randstein weg.
     
    Als ich nach Hause kam, holte ich zum ersten Mal, seit ich aus den Bergen zurückgekehrt war, meine topographische Karte mit ihrem größeren Maßstab heraus. Obwohl die Geländemerkmale hier wesentlich detaillierter dargestellt waren als

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