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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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besser dran, weil wir schneller reagieren konnten und zu den Schauplätzen kamen, über die wir schreiben wollten, ohne darauf warten zu müssen, bis uns die Vertragspiloten abholen. Jetzt sind wir ein bisschen langsamer. Aber natürlich will Wrigley, dass wir meistens mit dem Auto fahren.«
    »Mann«, sagte Stinger und zeigte auf den Sikorsky. »Der da bringt Sie zu den meisten Orten, wo Sie hinmüssen, eine verdammte Ecke schneller als ein Auto – noch dazu auf den Freeways von L. A.«
    »Jammerschade, dass du in der Arbeit bleiben musst«, sagte Travis. »Sonst könnte ich einen Rundflug mit dir machen.«
    »Das wäre toll«, sagte ich, »aber das müssen wir notgedrungen auf ein andermal verschieben. Wie konntest du mich eigentlich vom Hubschrauber aus anrufen?«
    »Pappy – Stingers Bodenpersonal – hält Funkkontakt zu uns während wir fliegen. Er stellt Anrufe von Fremont Enterprises zum Hubschrauber durch und umgekehrt. Die meisten Anrufe kommen von Stingers Freundinnen …«
    »Also, jetzt reicht’s aber, Kurzer«, maulte Stinger, obwohl Travis locker einen Kopf größer war als er. »Zeit, dass wir die Mücke machen. Irene muss wieder an die Arbeit.«
    »Aber ihr seid doch gerade erst gekommen!«, protestierte ich.
    »Vielleicht bleiben wir über Nacht in Las Piernas«, sagte Travis. »Jack meinte, wir könnten bei ihm schlafen. Wir üben nur noch ein bisschen den Nachtflug, und dann fliegen wir zum Flughafen zurück.«
    »Bei uns ist auch Platz«, sagte ich. »Brauchst du den Van wieder?«
    »Ich würde ihn eventuell gern morgen eine Zeit lang benutzen. Ich überlege mir nämlich, ein Angebot für ein Haus ganz in der Nähe von eurem zu machen.«
    Erfreut, dies zu hören, plauderte ich noch ein Weilchen mit ihm über seine Pläne. Als ich zu Stinger hinübersah, hatte er den Kopf zur Seite geneigt, als würde er mich studieren. »Wann haben Sie Ihre nächste Nachtschicht?«, fragte er.
    »Donnerstag.«
    »Dann kommen wir am Donnerstag wieder – gleiche Uhrzeit, gleicher Treffpunkt.«
    Ich lachte. »Damit Travis noch ein bisschen üben kann?«
    »Wenn Sie so wollen«, erwiderte er und nickte.
    »Okay, warum nicht?«
    »Also, jetzt, wo Sie’s erwähnen«, sagte er und kratzte sich am Kinn. »Es könnte doch einen Grund geben, der dagegen spricht. Darf ich mal kurz Ihr Handy benutzen?«
    Ich reichte es ihm, und er programmierte eine Nummer ein. Dann reichte er mir das Handy wieder und zeigte mir, wie ich die Nummer finden konnte, die er mit »Stinger@FE« bezeichnet hatte.
    »Das heißt ›Stinger bei Fremont Enterprises‹. Unter der erreichen Sie Pappy, und Pappy kann Sie zu uns durchstellen. Wenn Ihr Chef hier rumlungert oder es aus anderen Gründen ungünstig ist, dass ein Hubschrauber hier landet, rufen Sie an. Sonst sehen wir uns am Donnerstag wieder.«
    Sie flogen davon.
    In wesentlich fröhlicherer Stimmung kehrte ich zur Treppe zurück. Ich schlenderte ein bisschen langsamer und ertappte mich bei dem Gedanken, dass mein Verbleib bei der Zeitung es wert war, sämtliche Hindernisse zu überwinden, die mir irgendein Mitglied der gegenwärtigen Generation von Wrigleys in den Weg legen mochte. Sonst, so überlegte ich, landete ich am Ende noch in einem Gebäude, das so aussah wie die Schachtel.
    Ich hatte gerade jene Ecke des Wrigley-Buildings erreicht, wo die Schachtel voll ins Blickfeld kam. Ich blieb stehen. Da war etwas Merkwürdiges an einem Fenster, und zwar einem Fenster in fast der gleichen Höhe wie die Ebene, auf der ich mich befand. Im entsprechenden Büro war Licht, aber es war nicht hell genug, als dass man hätte arbeiten können. Und was noch merkwürdiger war – das Licht bewegte sich.
    Leuchtstoffröhren an der Decke bewegen sich nicht. Eine starke Taschenlampe? Beobachtete ich gerade einen Einbruch?
    Ich war noch nicht um die Ecke gebogen, nach der ich von der Schachtel aus voll im Blickfeld wäre, und als das Licht ein paar Mal auf die Fensterscheibe traf, trat ich ins Dunkel zurück und holte das Handy hervor.
    Das Licht ging aus. Ich blieb, wo ich war, und behielt das Fenster im Auge. Bald sah ich eine schattenhafte und undeutliche Gestalt dicht an der Scheibe stehen. Ich konnte die Umrisse dieser Person kaum ausmachen. Nick Parrish?
    Oder fantasierte ich ihn nur wieder herbei?
    Sicher konnte ich mir da nicht sein. Aber die Taschenlampe hatte ich mir nicht eingebildet.
    Ich duckte mich tiefer ins Dunkel und wählte die Nummer der Polizei.
     

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    MITTWOCH, 20. SEPTEMBER, 0

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