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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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sorgfältig.
    Und scheiterte erneut.
    Wütend und frustriert fegte die Motte mit einer behandschuhten Hand über ein Regalbrett voller Videobänder und warf sie zu Boden. Diesmal musste ein wenig Schaden angerichtet werden. Während die Motte die Brechstange schwang, sah sie voller Übermut zu, wie andere Sachen von den Regalen fielen: Bücher, gerahmte Fotografien. Der befriedigendste Moment allerdings kam, als die Eisenstange mit einem lauten Knall den Fernsehbildschirm traf. Beim Geräusch des zersplitternden Glases fing der Hund zu bellen an.
    Das hatte einen etwas ernüchternden Effekt. Wenn der Hund es gehört hatte, hatte es dann die neugierige, alte Nachbarin auch gehört? Die Aufmerksamkeit, mit der die Alte alles verfolgte, was sich hier in der Gegend abspielte, hatte die Motte bereits gezwungen, in einer anderen Straße zu parken und über Zäune zu steigen, um hierher zu gelangen.
    Der Hund bellte immer weiter.
    Voller Angst versteckte sich die Motte im Badezimmer. Nach einiger Zeit verstummte der Hund. »Was würde Nicky sagen, wenn du erwischt würdest?«, fragte die Motte laut, doch der Gedanke war eher ärgerlich als beängstigend.
    Nicky hatte seine Motte ignoriert.
    Wieder voller Wut, aber doch beherrschter, öffnete die Motte das Medizinschränkchen, entdeckte Ben Sheridans Schmerzmittel und stahl es.
    In der Küche durchsuchte die Motte die Schränke und fand rasch das Hundefutter. Die Motte öffnete eine Dose, schüttete eine kleine Menge davon in eine Schüssel und begann die Kapseln mit dem Schmerzmittel darüber zu leeren. Sie mischte etwa ein Dutzend davon gut hinein, schraubte das Fläschchen wieder zu und wollte es gerade einstecken. Doch dann hielt sie inne. Es wäre äußerst ungünstig, jetzt mit etwas erwischt zu werden, worauf Sheridans Name stand, oder? Die Motte schüttete die Kapseln heraus und steckte sie ein. Sie ließ das Fläschchen auf der Arbeitsfläche stehen und ging hinaus.
    Der Hund witterte keinen Feind. Das hier war eine vertraute Person, die eine Schüssel Futter brachte. Der Hund war jetzt hellwach und musterte die Motte. Er interessierte sich bereits für das, was die Motte ihm gebracht hatte.
    Die Motte öffnete das Tor zum Zwinger nur einen Spalt und schob die Schüssel hinein.
    »Braver Hund.«
    Der Hund sah zur Motte auf und neigte dann den Kopf zur Seite. Er starrte das Futter an und leckte sich das Maul, rührte es aber nicht an.
    Gab es irgendeinen Befehl, auf den er wartete?
    Die Motte machte erneut das Tor auf, fasste in die Schüssel, nahm eine Hand voll heraus und hielt sie dem Hund unter die Nase. Der Hund blickte zwischen der Motte und dem Futter hin und her und fraß dann sachte, fast widerwillig, das Futter aus der behandschuhten Hand.
    So dauert das ja ewig!
    Die Motte hörte den Nachbarhund bellen, dann fielen noch weitere Hunde mit ein. Der große Schäferhund legte die Ohren nach vorn. Kam jemand auf das Haus zu? Eilig verließ die Motte die Einfriedung. Sie kletterte über den hohen Gartenzaun und verschwand durch einen anderen Garten – einen Garten, dessen Besitzer keinen Hund hatten, dessen Besitzer tagsüber nie zu Hause waren.
    Am Auto angekommen, schloss und versperrte die Motte die Tür, seufzte und fühlte sich jetzt sicherer. Beim Wegfahren sah sie in den Rückspiegel und stellte zufrieden fest, dass niemand sie beobachtete oder ihr gar folgte. Die Motte lächelte und sagte: »Adiós, Bingle.«
     

52
     
    MONTAG NACHMITTAG, 25. SEPTEMBER
    Las Piernas
     
    Jack wartete geduldig im Wagen und nutzte sein Handy, um sich ausgiebig mit Stinger Dalton zu unterhalten. Diesmal hatte die Polizei den Van dagelassen, aber dafür mein Handy mitgenommen. Sie hatten versprochen, es mir im Lauf des Tages wiederzugeben, nachdem sie einige Aufzeichnungen von Parrishs Anruf gemacht hatten.
    Ich klingelte ein Dutzend Mal an Phil Newlys Tür und klopfte, bis mir die Knöchel wehtaten. Newly machte nicht auf. Ich musste einfach akzeptieren, dass er mich entweder nicht sehen wollte oder nicht da war. Ich sagte mir, dass ich gehen sollte – doch irgendetwas hielt mich davon ab, zum Wagen zurückzukehren. Zuerst schien es nur einer dieser Feld-, Wald- und Wiesenanfälle von kaltem Grauen zu sein, doch dann versuchte ich es ein bisschen genauer zu definieren.
    Das Haus war nicht nur ruhig, sondern es wirkte geradezu verlassen. Auf der Veranda lagen ein paar Werbezettel und der Notizblock eines Immobilienmaklers. Und während Rasen und Blumenbeete, die von

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