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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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gehasst haben.«
    Sie verschränkte die Arme und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Ihr Blick drückte nichts als Bosheit aus. »Nicholas Parrish hat dieses gesagt, Jason hat jenes gesagt. Sie behaupten, Sie hätten diesen Artikel nie jemand anderem gezeigt, aber das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Man hat die Garage unter Ihrer Wohnung durchsucht, Gillian. Frank hat sich einen Durchsuchungsbefehl besorgt. Die Hunde waren dort, als Sie heute Morgen in der Arbeit waren. Noch bevor sie das Haus betreten haben, haben Bingle, Bool und ein Bluthund namens Beau das Vorhandensein menschlicher Überreste angezeigt.«
    Sie setzte wieder den angsterfüllten Blick auf.
    »Natürlich hatten sie Recht«, fuhr ich fort. »Es waren Leichenteile da. Teile, die zu den Femora der Frau aus Oregon passen.«
    »Femora?«
    »Beinknochen.«
    »Sie meinen, Nicholas Parrish hat es gewagt, meine Garage zu benutzen –«
    »Sie werden es nicht schaffen, sich herauszureden«, sagte ich. »Man hat Ihren Werkzeugkasten gefunden.«
    »Was für einen Werkzeugkasten?«
    »Der, mit dem die Hunde sich nicht beschäftigen wollten, als man sie anwies, den Geruch von Nicholas Parrish aufzuspüren. Sie waren bei den Trainingsstunden des Suchtrupps, also wissen Sie ja, wie es abläuft. Zwei Bluthunde bekamen eine von Nickys schmutzigen Socken und wurden dann aufgefordert, ihn zu suchen. Sie schlugen überall in Ihrer Garage Alarm, ja sogar oben in Ihrer Wohnung. Aber für den Werkzeugkasten haben sie sich nicht interessiert. Den Kasten, in dem die Ablasspfropfen der Hubschrauber lagen – die Pfropfen, die mit Ihren Fingerabdrücken übersät sind.«
    Sie fing an zu weinen.
    »Wenn ich glauben könnte, dass diese Tränen irgendjemand anderem gelten als Ihnen selbst, Gillian, wäre ich vielleicht gerührt. Ihre eigene Mutter, Gillian!«
    »Das verstehen Sie nicht!«, sagte sie.
    »Gott weiß, dass ich es gern verstehen würde!«, erwiderte ich. »Sie haben einen Grund? Dann verraten Sie ihn mir.«
    »Sie werden mir nicht glauben.«
    »Probieren Sie’s.«
    »Mein eigener Vater hat mir nicht geglaubt, also warum sollten Sie mir glauben?«
    Ich stieß Atemluft aus, von der ich gar nicht gewusst hatte, dass ich sie angehalten hatte.
    »Ihr Vater«, sagte ich und bemühte mich, meine Worte mit Bedacht zu wählen, »mag keine unangenehmen Themen, stimmt’s?«
    »Unangenehme Themen?«, spottete sie. »Nein, er will überhaupt nichts von irgendwelchen Dingen wissen, die unangenehm sind. Und meine Mutter hatte ihn unter Kontrolle. Sie wollte jeden kontrollieren. Jason, meinen Dad – aber mich nicht. Verstehen Sie? Mich nicht! Sie hat es versucht – und versucht – und versucht – aber ich habe gesiegt! Ja, das habe ich.«
    »Wie hat sie es versucht?«
    »Was glauben Sie?«, höhnte sie.
    Ich gab ihr keine Antwort.
    »Glauben Sie, das ist das erste Mal, dass ich hier bin?«, fragte sie. »Sie sollten mal meinen Dad fragen, wie sehr ich ›zu Unfällen neigte‹, bevor Jason zur Welt kam.«
    »Aber ich dachte, Krankenhäuser –«
    Sie warf mir einen mitleidigen Blick zu. »Vielleicht hatte es mit der vielen Zeit zu tun, die meine Mutter als Vorsitzende des Hilfsvereins fürs Las Piernas General Hospital geopfert hat. Was meinen Sie? Ins St. Anne’s sind wir nicht besonders oft gekommen, aber ich wusste schon, bevor ich fünf war, was eine Nonne ist, und wir waren todsicher keine Katholiken.«
    »Sie wurden also nicht immer vom selben Arzt behandelt?«
    Ihre Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln. »Sie würden sich wundern, wie weit wir manchmal fahren mussten, um in ein Krankenhaus zu kommen.«
    »Jason wusste nichts davon?«
    »Ich stehe meinem kleinen Bruder nicht gerade nahe, wissen Sie? Ich meine, wir hatten nicht die gleiche Kindheit – kapiert? Er hat die Verbrühungen, den Sturz die Treppe hinunter und all das nicht mitbekommen. Ich erinnere mich selbst nicht an alles. Ich war ja noch klein. Nachdem Jason geboren worden war, hat sie gelernt, es so zu deichseln, dass ich nicht zum Arzt musste – sie hat keine Spuren mehr hinterlassen. Jason hat nur gehört, was sie gesagt hat: ›Gillian ist böse. Gillian gehorcht nicht. Gillian ist nicht mehr unter Kontrolle.‹ Unter ihrer Kontrolle weiß Gott nicht.«
    »Wenn Sie –«
    »Wenn. Sehen Sie? Warum sollten Sie mir schon glauben, stimmt’s?«
    »Ich wollte sagen, wenn Sie mit David befreundet waren –«
    »War ich nicht, klar? Ich wollte nur über die Hunde Bescheid wissen. Was hat das mit

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