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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Haare abgeschnitten, direkt bevor ich hier hoch marschiert bin. Ich war stinksauer. Wir hatten Streit.«
    »Lassen Sie mal sehen«, sagte ich, und er reichte mir das Bild. Ich musterte es einen Moment lang. »Sie ist mit kurzen und mit langen Haaren hübsch – finden Sie nicht?«
    Er nahm das Foto wieder an sich. »Doch, ich glaube schon. Wahrscheinlich muss ich mich erst daran gewöhnen.« Er gähnte. »Jetzt kann ich eh nichts mehr daran ändern.« Er machte sich auf den Weg zu seinem Zelt.
    Ein paar Meter weiter standen Ben und Andy auf einem großen, abgerundeten Felsblock. Beide hielten sich Feldstecher vor die Augen. Andy wies ins Gelände, wo er offenbar auf eine bestimmte Stelle zeigte, und Ben richtete sein Fernglas in diese Richtung. Dann senkten sie die Gläser und trugen Markierungen auf einem Blatt Papier ein. Während ich sie beobachtete, wiederholte sich dieser Vorgang mehrmals.
    Ich ging näher zu ihnen hin. Andy sah mich und rief mir einen Gruß zu. »Kommen Sie doch rauf«, sagte er. »Dann zeige ich Ihnen ein paar der Anhaltspunkte, nach denen wir suchen.«
    Ben missfiel dieser Vorschlag offenbar, und er machte sich davon, bevor ich bei dem Felsen angekommen war.
    »Hier«, sagte Andy und reichte mir das Fernglas. »Sehen Sie mal, dort drüben, genau rechts von dem Baum.« Er wartete, während ich die Stelle ausfindig machte, die er meinte. »Was sehen Sie?«, fragte er.
    Ich studierte die Wiese, die sich von dort, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten, sachte einen Hang hinaufzog. »Überwiegend Gras und Wildblumen«, sagte ich.
    »Ist das Gras überall gleich hoch?«
    Ich studierte es erneut, diesmal sorgfältiger, und antwortete dann: »Nein! An einer Stelle ist es kürzer.«
    »Genau«, bestätigte er. »Es könnte kürzer sein, weil es frischer ist. Wir haben mehrere solcher Stellen auf dieser Wiese gefunden und sie auf einer Karte eingezeichnet. Wir müssen sie uns noch genauer ansehen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was der Grund dafür ist, dass das Wachstum dort anders verlaufen ist.«
    »Will David dort mit Bingle suchen gehen?«
    »Vielleicht. Normalerweise fängt er gern so an, dass er Bingle Gelegenheit gibt, auf eigene Faust herumzuschnüffeln, ohne jegliche Anleitung von uns – um zu sehen, ob er Alarm schlägt.«
    »Wie er es am Kojotenbaum getan hat?«
    »Nein, nicht direkt. Bingle gibt ein ganz eindeutiges Signal, wenn er menschliches Blut oder Leichen riecht. Er ist darauf trainiert, speziell nach menschlichen anstelle von tierischen Überresten zu suchen. Seine Reaktion da drüben am Kojotenbaum – ich schätze, er war einfach außer sich.«
    »Das kann ich ihm nicht verübeln.«
    »Ich auch nicht.« Er schwieg einen Moment und sagte dann: »Jedenfalls werden Ben und ich die Stellen untersuchen, an denen das Pflanzenwachstum gestört ist, während David mit Bingle an der Arbeit ist. Natürlich kann auch eine Reihe natürlicher Faktoren eine Veränderung der Flora auslösen, aber ich glaube, ein oder zwei der Stellen, die wir unter die Lupe nehmen wollen, sind typische Begräbnisplätze.«
    »Typisch?«, fragte ich. »Was meinen Sie damit?«
    »Es gibt Studien darüber, nach welchen Kriterien Serienkiller die Begräbnisplätze für ihre Opfer auswählen. Trotz seiner gegenteiligen Behauptungen glauben wir, dass Parrish ganz genau weiß, wo das Grab seines Opfers zu finden ist. Ben nimmt an, dass Parrish seine Taten gern präzise inszeniert – und dramatisch. Detective Thompson und Ben sind sich darin einig, dass Parrish die Grabstätte vermutlich noch einmal aufgesucht hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er sich eine Stelle ausgesucht, die er ohne weiteres immer wieder finden konnte. Ben meint, das trüge dazu bei, dass Parrish sein Vergnügen an dem Mord immer wieder durchleben konnte.«
    »Vergnügen …« Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß«, sagte Andy und verzog das Gesicht. »Ben sagt, wir müssen versuchen, so zu denken wie Parrish, wenn wir sie finden wollen.«
    »Wonach sollen wir also Ausschau halten? Irgendeine Art von Geländemarke?«
    »Genau. Nach irgendetwas, das Parrish dabei helfen könnte, die Stelle wieder zu finden.«
    In diesem Moment rief Ben nach Andy, und so gab ich Andy das Fernglas zurück und bedankte mich für seine Ausführungen. Auf meinem Rückweg ins Lager fiel mir auf, dass Bingle und David nirgends zu sehen waren. Bob Thompson gesellte sich zu Ben und Andy.
    Ich hörte Bingle irgendwo im Wald ein einzelnes, fröhliches Bellen

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