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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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die, aus der forensische Anthropologen wurden, aus dem Meer gekrochen ist. Aber wundersamerweise haben irgendwann, vielleicht im Lauf des Paläozoikums, auch Reporter Humor entwickelt. Ich muss Sie mal in eine Redaktion einschmuggeln, Ben Sheridan, damit Sie unseren ureigenen kranken Humor erleben können. Wir werden langsam ziemlich gut darin. Sie sollten einmal hören, wie schnell die Witzeleien losgehen, wenn eine besonders schockierende Story über den Ticker kommt. Und es funktioniert fast genauso gut wie dort drüben am Lagerfeuer.«
    »Also, na ja, ich dachte nur –«
    »Sie dachten nur, ich könnte womöglich schreiben, dass diese Männer nicht den angemessenen Respekt vor Julia Sayre zeigten. Dachten nur, ich würde nicht begreifen, dass das wirklich überhaupt nichts mit ihr zu tun hat, sondern nur darauf lauern, dass irgendjemand aus der Gruppe einen Fehler macht oder sich eine kleine menschliche Schwäche zuschulden kommen lässt, damit ich es in alle Welt hinausposaunen kann. Dass ich das Grauen und die Belastung nicht verstehe, die durch …« Auf einmal fühlte ich das Grauen und die Belastung und hörte auf zu sprechen.
    Er sagte kein Wort und regte sich nicht.
    »Tut mir Leid. Ich wollte Sie nicht zurechtweisen«, sagte ich. »Außerdem schulde ich Ihnen Dank.«
    »Wofür?«, fragte er, und ich hörte ihm sein Erstaunen an.
    »Drüben am Grab, als ich – als mir kurzzeitig die Nerven durchgegangen sind. Ich hatte nicht damit gerechnet, zu sehen – was ich gesehen habe.«
    »Ihre Reaktion war verständlich, Ms. Kelly. Und Sie schulden mir keinen Dank, sondern ich muss mich ein zweites Mal bei Ihnen entschuldigen. Es war grausam von mir, Sie um Mithilfe zu bitten.«
    »Ich habe nichts dagegen, mitzuhelfen«, sagte ich. »Ich war nur nicht auf das vorbereitet …«
    »Das ist man nie«, sagte er. »Niemand.«
    Er wandte sich zum Gehen und sagte dann: »David möchte Bingle heute Nacht bestimmt bei sich behalten.
    Kommen Sie zurecht?«
    »Ja.«
    Er sah hinauf zum Himmel. »Bringen Sie lieber den Regenschutz an Ihrem Zelt an.«
     

13
     
    MITTWOCH NACHMITTAG, 17. MAI
    Las Piernas
     
    Als Frank in Phil Newlys Krankenzimmer eintraf, fand er den Anwalt mit bestürzter Miene vor.
    »Schlechte Neuigkeiten über Ihren Fuß, Mr. Newly?«, fragte er beim Hineingehen.
    Newly runzelte die Stirn, doch als er Frank erkannte, setzte er ein breites Lächeln auf. Nicht direkt die Reaktion, mit der Frank gerechnet hatte. Abgesehen davon, dass er gegen einige seiner Klienten ausgesagt hatte, hatte Frank nie mit Newly gesprochen. Frank wusste, dass an Newlys Bemühungen, bei diesen Gelegenheiten seine Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen, nichts Persönliches war. Newly war im Kreuzverhör besser als die meisten anderen, doch seine Vorstöße gegen Franks Glaubwürdigkeit waren erfolglos geblieben. Beide Männer hatten nichts weiter als ihre Arbeit getan. Er hoffte, dass Newly es auch so sah.
    »Detective Harriman!«, rief Newly aus. »Sie haben mich den Fall Beringer gekostet und noch einen anderen, soweit ich mich erinnere.« Das schien ihn jedoch nicht besonders zu stören. »Und außerdem sind Sie der Mann von Irene Kelly, stimmt’s?«
    »Ja, genau. Deshalb bin ich hier. Ich hoffe, dass Sie mir sagen können, wie es ihr geht.«
    Newly zögerte kaum merklich, bevor er antwortete: »Gut. Ihr geht’s gut – zumindest, als ich die Gruppe verlassen habe. Hören Sie, Frank – darf ich Sie Frank nennen?«
    Er wunderte sich, sagte aber: »Sicher.«
    »Prima. Und bitte nennen Sie mich Phil.« Er lächelte erneut, doch diesmal auf eine Art, die in Franks Augen darauf abzielte, ihn zu entwaffen. »Jetzt, wo wir auf so freundschaftlichem Fuß miteinander stehen«, fuhr Newly fort, »darf ich Sie da vielleicht um einen Gefallen bitten?«
    »Aber nichts, das meine Degradierung zur Verkehrspolizei zur Folge hat?«, fragte Frank argwöhnisch.
    »Nein, nichts dergleichen. Ich brauche nur jemanden, der mich nach Hause bringt.«
    »Sie werden schon entlassen?«
    »Ja, man hat mich nur zur Beobachtung über Nacht hier behalten. Wenn ich kein Anwalt wäre, hätten sie mich vermutlich schon gestern nach Hause geschickt. Sie haben immer Angst, wir würden klagen, fürchte ich. Auf jeden Fall werde ich diesen Gips eine Zeit lang tragen müssen, aber es besteht keine Veranlassung, dass ich ein Krankenhausbett beanspruche.«
    Frank dachte sich, dass er, wenn er Newly heimfuhr, genug Zeit hätte, um mit ihm zu sprechen, und so willigte

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