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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Schilde führt, und ich weiß auch nicht, ob es etwas mit Ihrer Frau zu tun hat, außer – ach, nein, ich habe keine Ahnung, was er vorhat.«
    »Sie sind sein Anwalt!«
    »Ja, aber er vertraut sich mir nicht an. Überhaupt nicht – das kann ich Ihnen schwören, wenn Sie wollen. Wenn ich mir nicht sicher wäre, dass er etwas plant, das seine Aussichten darauf gefährdet, der Todesstrafe zu entgehen, dann würde ich jetzt nicht mit Ihnen reden.«
    Sie waren in Newlys Straße angelangt, und der Anwalt nannte Frank seine Hausnummer. Frank zwang sich dazu, sich auf die Ziffern zu konzentrieren, die auf die Randsteine gemalt waren. Es war eine teure Wohngegend. Nicht viele Strafanwälte brachten es so weit, das wusste er. Schließlich fand er Newlys weitläufiges, im spanischen Stil gebautes Anwesen. Er bog in die Einfahrt und stellte den Motor ab.
    »Sie glauben, er hat irgendetwas mit Irene vor«, sagte er zu Newly »Sie haben vorhin so etwas angedeutet.«
    »Nick Parrish … mustert sie. Starrt sie an.«
    Frank fluchte.
    »Ja«, sagte Newly. »Ganz Ihrer Meinung.«
    »Ich muss wissen – ich muss alles wissen, was Sie mir darüber sagen können, wohin sie wollten. Ja, ich habe mir die Koordinaten aufgeschrieben. Aber in welche Richtung sind sie von der letzten Position aus weitergegangen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Newly –«
    »Ich weiß es nicht! Selbst wenn Sie mir einen Kinnhaken verpassen, hilft Ihnen das nicht weiter.«
    Frank lockerte seine Hände und zwang sich zum Nachdenken. »Der Ranger, der Sie runtergebracht hat – wollte er wieder zu den anderen stoßen?«
    »Ja.«
    »Wie denn? Haben sie einen Treffpunkt vereinbart?«
    »Nein.« Newly wurde nachdenklich. »Zu der Zeit war ich nicht besonders klar im Kopf, aber – ach, jetzt fällt es mir wieder ein! Er hat zu Andy, dem Botaniker, gesagt, dass sie Wegmarken hinterlassen sollen. Hilft Ihnen das weiter?«
    »Ja«, sagte Frank und hätte vor Erleichterung fast aufgelacht. »Ich helfe Ihnen noch, damit Sie allein in Ihrem Haus zurechtkommen. Und ich habe noch ein paar Fragen.«
    Newly seufzte. »Das habe ich mir schon gedacht. Aber ich verlange einen Preis.«
    »Ach?«, sagte Frank, wieder argwöhnisch geworden.
    »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich danach sehne, diese Stiefel wegzuwerfen. Ich glaube nämlich nicht, dass ich mich erhole, wenn ich sie immer wieder anschauen muss. Wenn wir drinnen sind, würden Sie die Dinger dann bitte in die Müllpresse werfen?«
    »Mit Vergnügen«, antwortete Frank.
     

14
     
    MITTWOCH NACHT, 17. MAI
    Bergland der südlichen Sierra Nevada
     
    Er lag auf dem Rücken und holte immer wieder tief Atem.
    Bescheiden hielt er sich selbst zugute, dass er sich nicht hatte vorstellen können, wie großartig es sein würde. Die daraus resultierende Erregung grenzte auf köstliche Weise ans Unerträgliche. Ein schwächerer Mann hätte sich gezwungen gesehen, sich irgendwie Erleichterung zu verschaffen. Aber er nicht. Nein, er nicht.
    Vorhin, bevor sie die Plastikfolie geöffnet hatten, hatte er es gewagt, sich zu berühren, nur ein einziges Mal, doch er war klug genug, dies jetzt zu unterlassen.
    Ihr Todesgeruch hing an allen von ihnen, aber ganz besonders an denen, die den ganzen Tag nahe am Grab gestanden hatten. Die Wachen hatten sich abgewechselt, waren hingegangen, um sie zu sehen. Natürlich konnten sie nicht widerstehen. Pilger, die von einem heiligen Ort angezogen wurden, dachte er und erinnerte sich an seine Freude, als einer nach dem anderen zurückgekehrt war, geschwängert von ihrem Duft.
    Doch dieser kleine Kitzel war gar nichts gewesen im Vergleich zu dem Moment, als sie sie ins Lager brachten. Die Bilder aus der mit ihr gemeinsam verbrachten Zeit – ihm war unter dem Bann der Erinnerungen beinahe schwindlig geworden.
    Sheridan und Niles rochen natürlich unverkennbar nach ihr. Das war herrlich. Wie er Sheridan beneidete. Ja, es war wirklich ein Gefühl, das an Eifersucht grenzte: Sheridan hatte sie berührt. Wenn er an Sheridans behandschuhte Hand auf ihrer Hand dachte – ach!
    Er war inzwischen angespannt wie ein Bogen, wenn er daran dachte, und so zwang er sich, seine Gedanken auf weniger gefährliches Terrain zu lenken.
    Er dachte an Merrick, der ihn niedergeschlagen hatte. Kindisch! Nichts hätte ihm zu einem besseren Gefühl verhelfen können. Er war Merrick schon öfter begegnet, in der einen oder anderen Form. Schlägertypen. Schulhof-Schläger wie Harvey Heusman in der siebten Klasse. Er

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