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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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er ein. »Okay.«
    »Toll! Und – falls es Ihnen nichts ausmacht – in dem Rucksack dort sind meine Kleider. Könnten Sie sie mir bitte geben?«
    Frank nahm zwar an, dass Newly sie sich vermutlich ohne weiteres selbst hätte holen können, doch er tat ihm den Gefallen.
    Der Anwalt begann, den Rucksack auf das Bett zu leeren, das schon bald mit einem Campingkocher, einem Kochgeschirr, einer Taschenlampe, einem Poncho, einer Wasserflasche, Streichhölzern, einer Rolle Toilettenpapier und allen möglichen anderen Utensilien bedeckt war, darunter ein beeindruckendes Sortiment von Kleidungsstücken. Es musste ihn schier umgebracht haben, mit alldem auf dem Rücken durch die Berge zu wandern, dachte Frank, der sich bemühen musste, seine Belustigung zu verbergen.
    Newly lächelte ihn aus dem Chaos an, das er verursacht hatte. In der Hand hielt er eine Jeans. »Könnten Sie die vielleicht ins Schwesternzimmer bringen und dort bitten, dass sie die untere Hälfte des Hosenbeins abschneiden? Das linke. Sonst kriege ich die nie über den Gips. Ich ziehe mich solange an.«
    Frank unterdrückte das Bedürfnis, ihm zu sagen, was er mit seinem Hosenbein tun konnte, da ihm wieder eingefallen war, dass er ja die Hilfe des Anwalts brauchte, und sagte: »Einverstanden.«
     
    »Ihr Freund hält mich also für eine Schneiderin«, sagte die Schwester, nahm Frank aber die Jeans ab. Sie war eine junge, schlanke Rothaarige – eine Frau, die eine Selbstbeherrschung ausstrahlte, von der er annahm, dass sie ihr in ihrem Beruf ausgesprochen nützlich war.
    »Sie brauchen gar kein solches Selbstmitleid entwickeln«, erwiderte er, was sie zu ihm aufsehen ließ. »Mich hält er für seinen Chauffeur und Kammerdiener – aber er weiß, dass er nicht mein Freund ist.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite, musterte ihn und schmunzelte. »Nein, sein Freund sind Sie wohl nicht. Was hat Ihnen denn zur Verantwortung für diese Hose verholfen – wenn ich fragen darf?«
    »Nur, dass ich versuche, ihn hier rauszubekommen. Ich fahre ihn nach Hause.«
    »Herzlichen Dank! Wir können es gar nicht erwarten, diesen Quälgeist loszuwerden.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln.
    Sie warf einen Blick auf seine linke Hand, sah den Ring und machte sich wieder daran, die Hose abzuschneiden.
     
    Er tat sein Bestes, um den Rucksack wieder zu packen, während sich Newly fertig anzog. Er hatte soeben das Kochgeschirr hineingeschoben, als er auf etwas stieß, das er auf den ersten Blick für ein Handy hielt – doch rasch erkannte er, dass es keines war.
    »Ist das ein GPS-Empfänger?«, fragte er.
    Newly unterbrach den mühsamen Versuch, eine Socke über seinen rechten Fuß zu ziehen, und sah auf. Obwohl er weder gebrochen noch eingegipst war, war der Fuß von schlimmen Blasen überzogen. Als Frank ihn sah, empfand er keinen solchen Groll mehr darüber, Newly den Rucksack geholt zu haben.
    »Ja«, antwortete Newly und streckte die Hand aus. »Hier – ich zeige Ihnen, wie er funktioniert.«
    Er brachte ein paar Minuten damit zu, Frank stolz das Gerät zu erklären, und bat ihn dann, ihm zu helfen, einen seiner Wanderstiefel – die einzigen Schuhe, die er bei sich hatte – über seinen wunden rechten Fuß zu ziehen.
    Die Schwester, die Frank bereits kennen gelernt hatte, brachte einen Rollstuhl herein und erbot sich, sie nach unten in die Eingangshalle der Klinik zu begleiten.
    »Es ist allgemein bekannt, dass Sie keine Patienten entlassen, ohne sie hier herauszufahren«, sagte Newly.
    »Das ist zweifellos den Angehörigen Ihrer Branche zu verdanken«, entgegnete sie.
    Er lachte und gab gut gelaunt zu, dass das wohl möglich war. Als die Schwester ihm aus dem Bett half, legte er einen Arm um ihre Schulter und zwinkerte Frank anzüglich zu. Frank ignorierte es und beantwortete die Frage der Schwester, was er von Beruf war. Daraus entspann sich ein angeregtes Gespräch, das anhielt, bis sie die Halle erreicht hatten. Er ließ die beiden stehen, um das Auto zu holen. Als er es dorthin gebracht hatte, wo die beiden warteten, sah Frank ihr an, dass es nicht mehr lang gedauert hätte, bis sie Newly womöglich kalt lächelnd in den fließenden Verkehr geschoben hätte.
    Frank hatte den Rucksack bereits auf den Rücksitz gestellt und öffnete jetzt die Wagentür, während sich die Schwester herabbeugte, um die Fußstütze des Rollstuhls abzusenken. Newly plapperte: »Frank ist mit einer gut aussehenden Brünetten verheiratet, wissen Sie. Aber ich

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