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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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ihm das Gesicht vertraut war.
    Er wollte nicht schlafen. Nicht, solange ihm dieser Scheiß im Kopf herumging. Er war schon verschreckt, wenn er hellwach war – was zum Teufel würde in seinen Träumen passieren?
    Ja, er würde sich Hilfe besorgen.
    Aber was um Gottes willen konnte er bis dahin tun?
     

22
     
    FREITAG, 19. MAI, 2 UHR MORGENS
    Bergland der südlichen Sierra Nevada
     
    »David, sag den beiden, dass sie hier drinnen nicht ohne Maske arbeiten können«, sagte er.
    Er hatte vorher schon etwas gesagt. Der Klang seiner Stimme hatte mich geweckt, bevor ich die Worte erfassen konnte.
    »Ben?«, fragte ich in die Dunkelheit.
    »Oh, gut – du bist da«, sagte er.
    »Ja, ich bin da«, bestätigte ich.
    »Kann man denn nichts gegen die Hitze hier drinnen machen?«
    »Im Zelt?«
    »Die Klimaanlage – die Computer gehen kaputt.«
    »Ben, ich bin Irene«, sagte ich und setzte mich auf. »Wachen Sie auf, Ben.«
    Er gab mir keine Antwort. Ich war gerade zu dem Schluss gekommen, dass ihn meine Stimme aus seinem Albtraum geweckt hatte und er nun ruhiger schlafen könne, als er sagte: »Brauche ein postmortales Zahnschema.«
    Bald merkte ich, dass auch Bingle wach war. Ich rutschte näher an Ben heran und fasste hinüber, um ihn zu wecken. Er hatte sich im Schlaf herumgeworfen und den oberen Schlafsack abgeschüttelt. Indem ich vorsichtig im Zelt herumtastete, fand ich mit meiner Hand die seine – sie war heiß und trocken.
    »Beachte die Entwicklung der Muskelbänder an diesem langen Knochen«, sagte er. »Der Typ könnte Linkshänder gewesen sein.«
    Er glühte. Ich riskierte es, die Taschenlampe zu benutzen, wobei ich flehte, dass Parrish nicht in der Nähe war und danach Ausschau hielt, sondern dass ihn der Regen über Nacht drinnen hielt. Ich sah Bens glasigen Blick und die Schweißschicht, die auf seiner Haut glänzte. Ich fand Wasser, ein Halstuch und das Keflex. Während ich mich selbst dafür schalt, dass ich ihm nicht gleich mehr von dem Medikament gegeben hatte, schaffte ich es, ihn lang genug zu wecken, um ihm jetzt vier von den Pillen einzuflößen. Wie viele wären gefährlich?
    Ich feuchtete das Halstuch an und begann mit meinen Versuchen, ihn abzukühlen.
    »Camille?«, fragte er und sah mich stirnrunzelnd an.
    »Nicht mal Garbo«, entgegnete ich. »In diesem Zelt wird nicht gestorben, verstanden? Sie kämpfen dagegen an, Ben. Bleiben Sie mir erhalten.«
    »Es ist so heiß«, sagte er und schob den Schlafsack tiefer. Er blieb unruhig, und seine Äußerungen wurden wirrer. Immer wieder lag er eine Zeit lang ruhig da, um dann auf einmal etwas zu rufen, was mich häufig zusammenzucken ließ. Schon bald begann er, sich hin und her zu werfen, und ich machte mir langsam Sorgen, dass er so die Schusswunde wieder aufreißen oder noch Schlimmeres verursachen würde, wenn ich das Fieber nicht senken konnte.
    Ich machte das Zelt auf und ging hinaus, um etwas Wasser aus dem Regengefäß zu holen. Der Eimer war fast voll. Ich brachte ihn dazu, mehrere Schlucke zu trinken und ein paar Aspirin zu nehmen. Ich glaubte zwar nicht wirklich daran, dass das Aspirin in diesem Stadium helfen würde, aber ich wollte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es sein Fieber eventuell senken könnte.
    Ben schien ruhiger zu werden, wenn er meine Stimme hörte, und so sprach ich mit ihm, während ich ihn versorgte. Ich nahm den Schlafsack von ihm weg, und als ich sah, dass er an seinem Hemd zerrte, knöpfte ich es auf und half ihm dabei, es abzustreifen, während ich mit feuchten Tüchern über seine Haut strich. Schließlich schnitt ich auch seine Hosenbeine ab, da ich fürchtete, dass seine gelegentlichen Bemühungen, im Fieberwahn die Hose auszuziehen, seinem verletzten Bein mehr schaden würden. Zum Glück schien er nichts dagegen zu haben, die Unterhose anzubehalten.
    Ich redete weiter und wechselte immer wieder die Tücher. Ich hatte den Eindruck, als fühlte er sich kühler an, aber sicher war ich mir nicht – meine Hände wurden von dem kalten Regenwasser langsam taub.
    »Durst«, hörte ich ihn sagen. Es war kaum mehr als ein Flüstern. Ein Blick auf sein Gesicht verriet mir, dass er nicht mehr im Fieberwahn lag – doch er hatte Schmerzen.
    Ich stützte seinen Kopf auf, gab ihm noch ein paar Keflex und ließ ihn so lange aus der Wasserflasche trinken, wie er konnte.
    »Danke«, sagte er und schloss die Augen.
    »Wollen Sie noch mehr Aspirin? Es tut mir Leid, aber das ist alles, was ich habe.«
    »Nein. Aspirin wirkt

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