Grabesstille
Einwände leisten, wissen Sie?« Doch ich half ihm, sich tiefer in den Wald zu bewegen.
Während ich darauf wartete, dass er fertig wurde, hörte ich Bingle bellen. »Scheiße! Ich bin gleich wieder da!«
Ich lief zum Lagerplatz zurück. Bingle war nicht da, doch sein wildes, warnendes Bellen hörte nicht auf.
O Gott, o Gott, o Gott. Lass ihn nicht den Hund umbringen. Lass ihn nicht Ben umbringen. Lass ihn nicht mich umbringen.
Ich hatte keine Waffen außer meinem Messer. Ich hob einen großen Stock auf, von dem ich im selben Moment schon wusste, dass er wahrscheinlich vollkommen unnütz wäre, aber er verlieh mir eine Art primitives Machtgefühl – der Höhlenbewohner, der seine Keule schwenkt, schätze ich.
Mittlerweile vorsichtiger, bahnte ich mir den Weg zu dem Gebell, das aus dem Waldstück in der Nähe des Baches kam. Aus welcher Richtung genau konnte ich nicht sagen, doch der Hund schien vor mir zu sein. Ich huschte von Baum zu Baum, indem ich geduckt rannte und mich so dicht am Boden hielt wie möglich.
»Bingle!«, sagte ich leise, noch bevor ich ihn sah. »¡Bingle, ven acá! ¡Cállate!« Ich wagte nicht, laut zu rufen, doch der Hund musste mich gehört haben, da er aufhörte zu bellen und auf mich zurannte. Ich hörte einen Schuss, und Bingle jaulte auf, lief aber weiter.
Bald war er bei mir angelangt, keuchend und außer sich.
Ich ließ meinen Schlagstock fallen und fuhr mit den Fingern über sein Fell, konnte jedoch keine Verletzung finden. Ich flüsterte ihm Lobesworte zu und versuchte mein Zittern zu unterdrücken. Wo war Parrish?
Ich wartete und wisperte Bingle zu, bei Fuß zu bleiben und still zu sein. Er gehorchte und sah mich ängstlich an.
»Irene Kelly!«, rief eine Stimme.
Ich glaubte Bingle wimmern zu hören, bis ich begriff, dass ich es war, die das Geräusch gemacht hatte.
»Dank diesem schlecht erzogenen Köter«, brüllte Parrish, »weiß ich ganz genau, wo du bist, Irene! Ich weiß es, hörst du mich! Ich weiß ganz genau, wo du bist!«
Ich klammerte mich an Bingle fest.
»Ich finde einen Weg hinüber, Irene!«, brüllte er. »Ich finde einen Weg hinüber! Hast du geglaubt, ein bisschen Wasser brächte dich in Sicherheit? Denk noch mal nach!«
Ich regte mich nicht. Das Herz hämmerte mir in der Brust.
Ich wartete, doch er sagte nichts mehr. Wäre ich allein gewesen, wäre ich wahrscheinlich einfach mit Bingle davongerannt, aber ich musste an Ben denken. So schnell und leise, wie ich konnte, lief ich zum Lagerplatz zurück.
Hastig sammelte ich sämtliche benutzten Bandagen und alles, was Blutflecken hatte, zusammen – einschließlich der Hose, die ich Ben abgeschnitten hatte – und versteckte die Sachen ein Stück vom Lagerplatz entfernt unter einem Haufen Blätter. Dann kehrte ich zum Zelt zurück und nahm Bens Schlafsäcke, sein Rasierzeug, drei Wasserflaschen, Streichhölzer, ein Kochgeschirr und die Suppe. Ich raffte Verbandszeug, das Aspirin und das Keflex zusammen. Ich ließ meinen Schlafsack liegen, nahm aber ein paar Kleidungsstücke mit, in erster Linie Regenzeug. Dazu kamen Bingles Futter und sein Geschirr. Ich faltete die Plane und wollte schon gehen, als ich einen letzten Gegenstand sah. Ich packte Davids Pullover, den mir Bingle eilends abnahm, und so rannten wir gemeinsam auf die Stelle zu, wo ich Ben zurückgelassen hatte.
Er war nicht da.
»Ben?«, rief ich leise. Hatte ich die Stelle verwechselt?
»Hier drüben«, hörte ich ihn sagen.
»Wo?«, fragte ich, aber Bingle wedelte schon mit dem Schwanz und ging auf einen umgestürzten Baum zu. Wäre sein Maul nicht voller Pullover gewesen, hätte er wahrscheinlich gebellt.
Ein Haufen nasser Blätter bewegte sich, und Bens Kopf tauchte auf. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Ein wenig klamm, aber es geht.«
»Gott sei Dank haben Sie sich versteckt. Hören Sie, Bingle hat gebellt –«
»Wegen Parrish«, sagte Ben.
»Haben Sie ihn gehört?«
»Parrish? Eigentlich nicht. Nur eine Stimme. Konnte nicht verstehen, was er gesagt hat. Aber Bingles Gebell – es musste Parrish sein. Ich hab’s geschafft, mich hier rüber zu schleppen.«
»Er wird versuchen, den Bach zu überqueren. Der Bach ist vom Regen angeschwollen, also ist eine Überquerung zu unserem Glück kein leichtes Unterfangen. Trotzdem könnte er eine Stelle finden, wo es leicht geht, also haben wir womöglich nur ein paar Minuten.«
»Dann hören Sie mal zu –«
»Ich lenke ihn von Ihnen
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