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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Uferböschung hinunterrollte und zusah, wie du in den dunklen Fluten versankst.
     
    »Es handelt sich offensichtlich nicht um Ihre Vermisste«, sagte Dr. Daljeet Singh.
    Sie blickte zu dem leitenden Rechtsmediziner von Maine der neben ihr am Ufer stand. Dr. Singhs weißer SikhTurban leuchtete weithin im schwindenden Licht und hob ihn deutlich von den eher konventionell gekleideten Ermittlern ab, die sich am Leichenfundort versammelt hatten. Jane hatte große Augen gemacht, als sie die exotisch gekleidete Gestalt aus dem Pick-up hatte steigen sehen nicht ganz der Anblick, den sie hier oben in den Wäldern des Nordens erwartet hätte. Aber nach seinen ausgetretenen Stiefeln und der Trekkingausrüstung auf der Ladefläche seines Lasters zu urteilen, war Dr. Singh mit dem unwegsamen Gelände des Hinterlands von Maine bestens vertraut. Jedenfalls war er wesentlich besser gerüstet als Jane mit ihrem Business-Hosenanzug.
    »Die junge Frau, nach der Sie suchen, wurde vor vier Tagen entführt?«, fragte Dr. Singh.
    »Das da ist sie nicht«, erwiderte Jane.
    »Nein, diese Frau hat schon längere Zeit im Wasser gelegen.
    Wie auch diese Kadaver dort.« Dr. Singh deutete auf die Tierkörper, die ebenfalls aus dem Moor geborgen worden waren.
    Neben zwei gut erhaltenen Katzen und einem Hund hatte man auch skelettierte Überreste von anderen, nicht näher identifizierten Lebewesen gefunden. Die mit Steinen gefüllten Säcke, die an sämtliche Kadaver gebunden waren, ließen keinen Zweifel daran, dass diese unglücklichen Wesen sich nicht einfach im Moor verirrt hatten und ertrunken waren.
    »Der Mörder hat mit Tieren experimentiert«, sagte Dr.
    Singh. Er wandte sich zu der Leiche der Frau um. »Und dabei, wie es scheint, seine Konservierungstechnik perfektioniert.«
     
    Jane schüttelte sich und blickte über das Moor hinweg, wo am Horizont gerade die letzten Sonnenstrahlen verschwanden.
    Frost hatte ihr von der Wunderwelt der Moore vorgeschwärmt, in der man eine erstaunliche Vielfalt von Orchideen, Moosen und Libellenarten finden könne. Doch der Zauber mochte sich ihr an diesem Abend nicht recht erschließen, als sie den Blick über die blubbernde schwarze Torfbrühe schweifen ließ. Was sie sah, war nichts als ein kaltes, nasses Grab.
    »Ich werde sie morgen obduzieren«, sagte Dr. Singh. »Wenn Sie dabei sein wollen, sind Sie herzlich eingeladen.«
    Eigentlich hätte sie sich am liebsten ins Auto gesetzt und wäre nach Boston zurückgefahren. Heiß duschen, ihrer Tochter einen Gutenachtkuss geben und sich dann mit Gabriel ins Bett kuscheln. Aber ihre Arbeit hier war noch nicht abgeschlossen.
    »Die Obduktion findet in Augusta statt?«, fragte sie. »Ja, gegen acht Uhr. Darf ich mit Ihnen rechnen?«
    »Ich werde dort sein.« Sie holte tief Luft und straffte den Rücken. »Dann suche ich mir am besten mal ein Zimmer für die Nacht.«
    »Das Hawthorn Motel ist nur ein paar Meilen von hier, direkt an der Straße. Das Frühstück ist ziemlich gut. Nicht die üblichen labbrigen Brötchen, sondern wirklich leckere Omeletts und Pfannkuchen.«
    »Danke für den Tipp«, sagte sie. Nur ein Rechtsmediziner kann vor einer tropfnassen Leiche stehen und ungerührt von Pfannkuchen schwärmen.
    Sie schaltete ihre Taschenlampe ein und ging durch den Wald zurück zum Parkplatz. Der Verlauf des Wegs war jetzt deutlich mit Polizei-Absperrband markiert. Als sie zwischen den Bäumen hervortrat, stellte sie fest, dass der Parkplatz sich schon bis auf einige wenige Einsatzfahrzeuge geleert hatte. Die Polizei von Maine hatte das Gebäude bereits durchsucht und nichts gefunden außer Müll und dem verwesten Waschbärenkadaver, den Jane schon entdeckt hatte. Keine Spur von Josephine oder Bradley Rose.
    Aber er ist hier gewesen, dachte sie, während sie in Richtung Wald blickte. Er hat unter diesen Bäumen geparkt und hat den Wanderweg zum Moor eingeschlagen. Und dort hat er das Seil gepackt und eines seiner makabren Andenken aus dem Wasser gezogen, so, wie ein Fischer seinen Fang.
    Sie stieg in ihren Wagen und fuhr über die holprige Zufahrtsstraße zurück. Ihr armer Subaru rumpelte über Schlaglöcher, die im Dunklen noch viel tückischer schienen. Sie war gerade in die Hauptstraße eingebogen, als ihr Handy klingelte.
    »Ich versuche schon seit mindestens zwei Stunden, dich zu erreichen«, sagte Frost.
    »Ich hatte keinen Empfang dort im Moor. Sie haben die Suche abgeschlossen und nur diese eine Leiche gefunden. Ich frage mich, ob er noch irgendwo

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