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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Geschichte, dachte Jane; eine Geschichte, die sich schon unzählige Male in Beziehungen zwischen zwei Menschen abgespielt hatte. Eine Geschichte, die allzu oft damit endete, dass die Mordkommission an einem blutigen Tatort anrücken musste. Medea war eine von denen, die noch einmal Glück gehabt hatten; sie hatte es überlebt.
    Und doch hatte sie sich nie ganz befreien können.
    »Es war Gemma, die mich beiseitenahm und mich auf das Offensichtliche aufmerksam machte«, sagte Medea.
    »Gemma Hamerton?«
    Medea nickte. »Sie war eine der Doktorandinnen bei der Grabung. Ein paar Jahre älter als ich und hundert Jahre vernünftiger. Sie sah, was da passierte, und sagte, ich müsse mich gegen ihn durchsetzen. Und wenn er mich dann immer noch nicht in Ruhe ließe, sollte ich ihn zum Teufel schicken. Oh, darin war Gemma gut – sie hatte einfach Zivilcourage. Aber ich war damals nicht stark genug. Ich konnte mich nicht von ihm lösen.«
    »Was passierte dann?«
    »Gemma wandte sich an Kimball. Sie forderte ihn auf, seinen Sohn in die Schranken zu weisen. Bradley muss von dem Gespräch erfahren haben, denn als ich ihn das nächste Mal sah, sagte er mir, ich dürfe nie wieder ein Wort mit Gemma reden.«
    »Ich hoffe, Sie haben ihm deutlich gesagt, wohin er sich scheren soll.«
     
    »Das hätte ich tun sollen«, erwiderte Medea leise. »Aber ich hatte nicht das Rückgrat. Heute fällt es mir selbst schwer, das zu glauben. Wenn ich an das Mädchen denke, das ich damals war, erkenne ich mich kaum wieder. Sie ist wie eine Fremde für mich – dieses bemitleidenswerte Opfer, das sich selbst nicht retten konnte.«
    »Und wie haben Sie es schließlich geschafft, von ihm loszukommen?«
    »Der Auslöser war das, was er Gemma antat. Eines Nachts, als sie schlief, nähte jemand ihren Zelteingang zu. Dann wurde das Zelt mit Benzin übergossen und angezündet. Ich war es, die es im letzten Moment schaffte, das Zelt aufzuschneiden und sie herauszuziehen.«
    »Bradley hat tatsächlich versucht, sie umzubringen?«
    »Niemand konnte es ihm beweisen, aber ich wusste es.
    Da begriff ich endlich, wozu er fähig war. Ich stieg in das nächste Flugzeug und flog nach Hause.«
    »Aber es war noch nicht vorbei.«
    »Nein.« Medea stand auf und ging wieder zum Fenster.
    »Es fing gerade erst an.« Inzwischen hatten Janes Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt, und sie konnte die bleiche Hand der Frau sehen, die den Vorhang umklammerte. Sie sah, wie ihre Schultern sich einen Moment lang anspannten, als draußen die Scheinwerfer eines Autos langsam vorbeiglitten und wieder verschwanden.
    »Ich war schwanger«, sagte Medea leise.
    Jane starrte sie verblüfft an. »Josephine ist Bradleys Tochter?«
    »Ja.« Sie drehte sich um und sah Jane an. »Aber das darf sie niemals erfahren.«
    »Uns sagte sie, ihr Vater sei ein französischer Archäologe gewesen.«
    »Ich habe sie ihr ganzes Leben lang angelogen. Ich habe ihr erzählt, ihr Vater sei ein guter Mann gewesen, der noch vor ihrer Geburt gestorben sei. Ich weiß nicht, ob sie mir wirklich glaubt, aber das ist die Version, an die ich mich konsequent gehalten habe.«
    »Und was ist mit der anderen Geschichte, die Sie ihr erzählt haben? Die Begründung, warum Sie immer wieder umziehen und Ihre Namen ändern mussten? Sie glaubt, dass Sie auf der Flucht vor der Polizei waren.«
    Medea zuckte mit den Schultern. »Das war doch eine plausible Erklärung.«
    »Aber sie stimmte nicht.«
    »Ich musste ihr doch irgendeinen Grund liefern – ohne sie allzu sehr in Angst zu versetzen. Immer noch besser, vor der Polizei zu fliehen als vor einem Monster.«
    Besonders, wenn dieses Monster der eigene Vater ist.
    »Als Sie feststellten, dass er Ihnen weiter nachstellte, warum sind Sie davongelaufen? Warum sind Sie nicht einfach zur Polizei gegangen?«
    »Meinen Sie, das hätte ich nicht versucht? Ein paar Monate nach meiner Rückkehr tauchte Bradley plötzlich auf dem Campus meiner Universität auf. Er sagte mir, wir seien verwandte Seelen. Er sagte, ich gehöre zu ihm. Er begann, mir auf Schritt und Tritt zu folgen, mir jeden gottverdammten Tag Blumen zu schicken. Ich warf sie weg, rief die Polizei an und erreichte, dass er verhaftet wurde. Aber dann setzte sein Vater seine Anwälte auf das Problem an. Wenn Ihr Vater Kimball Rose heißt, kann Ihnen niemand etwas anhaben.« Nach einer Pause fuhr sie fort: »Und dann wurde es noch schlimmer. Viel schlimmer.«
    »Inwiefern?«
    »Eines Tages kreuzte Bradley mit einem alten

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