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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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ein paar Touristen hier durch, und das ist eine gewisse Abwechslung, weil sie oft stehen bleiben und uns Fragen stellen. Davon abgesehen beschränkt sich die Freizeitgestaltung auf eine Fahrt in die Stadt.«
    »Sie sprachen von Touristen«, sagte Frost.
    »Detective McDowell hat sich diesem Thema schon gewidmet. Nein, ich kann mich nicht entsinnen, dass irgendwelche psychopathischen Mörder darunter gewesen wären. Aber andererseits würde ich so einen auch nicht erkennen, wenn er vor mir stünde. Und ganz bestimmt würde ich mich nicht an sein Gesicht erinnern – nicht nach einem Vierteljahrhundert.«
    Und das war genau der Kern des Problems, dachte Jane.
    Nach fünfundzwanzig Jahren verblassen die meisten Erinnerungen oder, schlimmer noch, sie verändern sich. Aus Hirngespinsten werden Wahrheiten. Sie blickte aus dem Fenster auf die Straße, die aus dem Canyon herausführte. Es war kaum mehr als eine Schotterpiste, auf der heißer Staub herumwirbelte. Für Lorraine Edgerton war es eine Straße ohne Wiederkehr gewesen. Was ist dir in dieser Wüste widerfahren?, fragte sie sich. Du bist auf dein Motorrad gestiegen, bist aus diesem Canyon hinausgefahren und in irgendein Wurmloch gefallen, um fünfundzwanzig Jahre später in einer Kiste in Boston wieder aufzutauchen. Und die Wüste hatte längst alle Spuren dieser Reise verwischt.
    »Dürfen wir dieses Foto mitnehmen, Professor Quigley?«
    »Ich bekomme es doch wieder, oder?«
    »Wir passen gut darauf auf.«
    »Es ist nämlich das einzige Gruppenbild, das ich von dieser Saison habe. Ohne diese Fotos hätte ich Mühe, mich an all die Leute zu erinnern. Wenn Sie jedes Jahr zehn Studenten aufnehmen, kommen mit der Zeit eine Menge Namen zusammen.
    Besonders, wenn man das schon so lange macht wie ich.«
    Jane drehte sich vom Fenster weg. »Sie nehmen jedes Jahr zehn Studenten auf?«
    »Ich beschränke die Anzahl auf zehn, schon aus logistischen Gründen. Wir bekommen regelmäßig mehr Bewerbungen, als wir Plätze anbieten können.«
    Sie deutete auf das Foto. »Da sind aber nur neun Studenten zu sehen.«
    Er betrachtete das Foto und runzelte die Stirn. »Oh, Sie haben recht. Da war noch ein zehnter, aber der ist schon früh im Sommer abgereist. Er war nicht hier, als Lorraine verschwand.«
    Das erklärte, wieso McDowells Akte nur Vernehmungen von acht von Lorraines Mitstudenten enthielt.
    »Wer war dieser Student, der abgereist ist?«, fragte sie. »Es war einer der jüngeren Semester. Er hatte gerade sein zweites Jahr abgeschlossen. Ein sehr gescheiter junger Bursche, aber extrem still und ein bisschen unbeholfen. Er passte nicht so recht in die Gruppe. Ich habe ihn eigentlich nur seinem Vater zuliebe aufgenommen. Aber er war hier nicht glücklich, und so packte er ein paar Wochen nach Beginn der Grabung seine Sachen und reiste ab. Er hat dann woanders ein Praktikum gemacht.«
    »Erinnern Sie sich an den Namen des Jungen?«
    »Aber sicher erinnere ich mich an seinen Namen. Sein Vater ist schließlich Kimball Rose.«
    »Sollte ich den Namen kennen?«
    »Jeder, der mit Archäologie zu tun hat, sollte ihn kennen. Er ist der Lord Carnarvon unserer Tage.«
    »Was soll das heißen?«
    »Er hat Geld«, meinte Frost.
    Quigley nickte. »Genau. Mr. Rose hat Geld im Überfluss, das er im Öl-und Gasgeschäft gemacht hat. Er ist kein ausgebildeter Archäologe, aber ein sehr talentierter und enthusiastischer Amateur, und er finanziert Ausgrabungen in aller Welt. Wir reden hier von zig Millionen Dollar. Ohne Leute wie ihn gäbe es keine Stipendien, nicht einmal genug Geld, um auch nur einen einzigen Stein umzudrehen.«
    »Zig Millionen? Und was bekommt er für das viele Geld?«, fragte Jane.
    »Was er dafür bekommt? Nun, die ganze Aufregung und das Abenteuer! Wären Sie nicht gerne der erste Mensch, der eine gerade erst freigelegte Grabkammer betritt? Die Erste, die einen Blick in einen versiegelten Sarkophag werfen darf? Er braucht uns, und wir brauchen ihn. So hat Archäologie immer schon funktioniert. Indem die mit dem Geld und die mit dem Fachwissen sich zusammentaten.«
    »Erinnern Sie sich an den Namen seines Sohnes?«
    »Ich habe ihn hier drin irgendwo notiert.« Er schlug das Buch mit seinen Feldnotizen auf und begann, darin zu blättern. Mehrere Fotos fielen heraus, und er deutete auf eines davon. »Da, das ist er. Jetzt fällt mir sein Name wieder ein. Bradley. Er ist der junge Mann in der Mitte.«
    Bradley Rose saß an einem Tisch; vor ihm waren diverse Tonscherben

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