Grabkammer
Ich stelle die Schecks aus und entwickle die Vision. Ich leite das Projekt und bestimme, wo gegraben wird. Bradley hatte es nicht nötig, Kärrnerarbeit im Chaco zu leisten – er kann sehr wohl mit einer Kelle umgehen.
Er hat einige Zeit mit mir in Ägypten verbracht, bei einem Projekt mit Hunderten von Grabungshelfern, und er hatte das Talent, einen Blick auf das Gelände zu werfen und genau zu wissen, wo man graben musste. Und das sage ich nicht nur, weil er mein Sohn ist.«
»Er war also in Ägypten«, stellte Jane fest. Und sie dachte dabei an die Worte, die in die Souvenir-Kartusche eingraviert waren: Ich habe die Pyramiden besucht. Kairo, Ägypten.
»Er liebt das Land«, sagte Kimball. »Und ich hoffe, er wird eines Tages dorthin zurückkehren und finden, was ich vergeblich gesucht habe.«
»Was war das?«
»Die verlorene Armee des Kambyses.«
Jane sah Frost an, und sie schloss aus seiner verständnislosen Miene, dass er auch keine Ahnung hatte, wovon Kimball sprach.
Kimballs Lippen formten sich zu einem unangenehm herablassenden Lächeln. »Ich nehme an, das muss ich Ihnen erklären«, sagte er. »Vor zweieinhalb Jahrtausenden schickte ein Perserkönig namens Kambyses eine Armee in die westliche Wüste Ägyptens, um das Orakel in der Oase Siwa einzunehmen. Fünfzigtausend Mann marschierten los und wurden nie wieder gesehen. Der Sand verschluckte sie einfach, und niemand weiß, was aus ihnen geworden ist.«
»Fünfzigtausend Soldaten?«, fragte Jane.
Kimball nickte. »Es ist eines der größten Rätsel der Archäologie. Ich habe zwei Saisons mit der Suche nach den Überresten dieser Armee zugebracht. Gefunden habe ich ein paar Metall-und Knochenfragmente, aber das war auch schon alles. So wenig, dass die ägyptische Regierung darauf verzichtete, die Funde für sich zu beanspruchen. Diese Grabung war eine meiner bittersten Enttäuschungen. Eine meiner wenigen Niederlagen.«
Er starrte ins Feuer. »Eines Tages werde ich zurückkehren. Ich werde sie finden.«
»Wie wäre es, wenn Sie uns in der Zwischenzeit helfen würden, Ihren Sohn zu finden?«
Kimball richtete seinen Blick wieder auf Jane, und es war kein freundlicher Blick. »Wie wär’s, wenn wir diese Unterredung für beendet erklärten? Ich glaube nicht, dass es noch irgendetwas gibt, womit ich Ihnen weiterhelfen könnte.« Er stand auf.
»Wir möchten nur mit ihm sprechen. Und ihn nach Ms. Edgerton fragen.«
»Was wollen Sie ihn fragen? Haben Sie sie ermordet? Nur darum geht es Ihnen doch, oder? Jemanden zu finden, dem Sie die Schuld in die Schuhe schieben können.«
»Er kannte das Opfer.«
»Wie vermutlich eine Menge andere Leute auch.«
»Ihr Sohn hat in jenem Sommer im Crispin Museum gearbeitet. Im gleichen Haus, in dem jetzt ihre Leiche gefunden wurde. Das ist ein ziemlich großer Zufall.«
»Ich muss Sie jetzt beide auffordern zu gehen.« Er wandte sich zur Tür, doch Jane blieb einfach sitzen. Wenn Kimball nicht mit ihnen kooperieren wollte, dann wurde es Zeit, eine andere Strategie zu fahren – eine, die ihn mit Sicherheit provozieren würde.
»Und dann war da dieser Vorfall auf dem Campus der Stanford University«, sagte sie. »Ein Vorfall, von dem Sie wissen, Mr. Rose. Es war schließlich Ihr Anwalt, der dafür sorgte, dass Ihr Sohn freikam.«
Er fuhr herum und schritt so schnell auf sie zu, dass Frost instinktiv aufsprang, um dazwischenzugehen. Doch Kimball blieb wenige Zentimeter vor Jane stehen. »Er wurde nie verurteilt.«
»Aber er saß in Untersuchungshaft. Zwei Mal. Nachdem er einer Studentin auf dem Campus nachgestellt hatte. Nachdem er in ihr Zimmer im Wohnheim eingedrungen war, während sie schlief. Wie oft mussten Sie ihm schon aus der Patsche helfen?
Wie viele Schecks mussten Sie ausstellen, um ihm eine Gefängnisstrafe zu ersparen?«
»Es wird Zeit, dass Sie gehen.«
»Wo ist Ihr Sohn jetzt?«
Bevor Kimball etwas erwidern konnte, ging eine Tür auf.
Er erstarrte, als eine schwache Stimme rief: Kimball? Sind diese Leute wegen Bradley hier?«
Augenblicklich wechselte sein Gesichtsausdruck von Zorn zu Bestürzung. »Cynthia, du sollst doch nicht aufstehen. Geh bitte wieder ins Bett, Schatz.«
»Rose hat mir gesagt, dass zwei Polizisten gekommen seien. Es geht um Bradley, nicht wahr?« Die Frau kam hereingeschlurft, und ihre tief eingesunkenen Augen richteten sich auf die beiden Besucher. Obwohl ihr Gesicht mithilfe der plastischen Chirurgie gestrafft war, verrieten ihr runder Rücken und die hängenden
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