Grabkammer
dachten – Kimball dachte…«
»Wir dachten, sie würden ihm beibringen, sich besser zu beherrschen«, vollendete ihr Mann den Satz für sie. »Das ist alles. Viele Jungs in dem Alter brauchen eine liebevolle, aber strenge Hand. Er war zwei Jahre lang dort und kam als wohlerzogener, fleißiger junger Mann wieder heraus. Ich war stolz, ihn nach Ägypten mitnehmen zu können.«
»Er hat es dir immer übel genommen, Kimball«, sagte seine Frau. »Das hat er mir erzählt.«
»Eltern müssen nun einmal bisweilen schwere Entscheidungen treffen. Das war meine Entscheidung – ihn ein bisschen aufzurütteln, damit er nicht auf die schiefe Bahn gerät.«
»Und jetzt geht er uns aus dem Weg. Ich bin diejenige, die gestraft wird, und alles nur wegen dieser ach so klugen Entscheidung, die du getroffen hast.« Cynthia senkte den Kopf und fing an zu weinen. Niemand sprach ein Wort. Die einzigen Geräusche waren das Knistern und Knacken des Kaminfeuers und Cynthias leises Schluchzen, in dem der Kummer und Schmerz eines ganzen Lebens zu liegen schien.
Das Läuten von Janes Handy zerriss brutal die Stille. Sofort stellte sie es leise und ging vom Kamin weg, um den Anruf anzunehmen.
Es war Detective Crowe. »Ich hab eine Überraschung für dich«, sagte er. Seine muntere Stimme bildete einen schroffen Kontrast zu der bedrückten Stimmung im Raum.
»Was gibt’s?«, erwiderte sie leise.
»Das FBI hat ihre Fingerabdrücke gespeichert.«
»Die von Josephine?«
»Oder wie sie auch immer heißen mag. Wir haben in ihrer Wohnung Fingerspuren gesichert und sie in die AFIS-Datenbank eingegeben.«
»Und es gab einen Treffer?«
»Wir wissen jetzt, warum das Mädchen vor uns davongelaufen ist. Ihre Abdrücke stimmen nämlich mit ein paar latenten überein, die vor zwölf Jahren an einem Tatort in San Diego sichergestellt wurden.«
»Was war das Verbrechen?«
»Mord.«
»Das Opfer war ein sechsunddreißigjähriger Weißer namens Jimmy Otto«, sagte Detective Crowe. »Seine Leiche wurde in San Diego gefunden, nachdem ein Hund einen ganz besonderen Leckerbissen ausgegraben hatte: einen menschlichen Finger. Der Hundebesitzer sieht, was ihm Bello da ins Haus geschleppt hat, kriegt die Panik und ruft die Notrufzentrale an.
Der Hund führt die Polizei zu der Leiche, die in einem Garten in der Nachbarschaft verscharrt war. Das Opfer war schon ein paar Tage tot, und wilde Tiere hatten sich an den Gliedmaßen zu schaffen gemacht, sodass sie keine brauchbaren Fingerabdrücke abnehmen konnten. Es wurde auch keine Brieftasche bei der Leiche gefunden, aber derjenige, der ihm die Papiere abnahm, hatte eine Schlüsselkarte von einem Hotel übersehen, die in der Jeanstasche des Opfers steckte. Sie stammte von einem Holiday Inn in der Stadt, wo der Gast unter dem Namen James Otto eingecheckt hatte.«
»Eine Schlüsselkarte von einem Hotel!?«, wiederholte Jane.
»Dann war das Opfer wohl nicht aus San Diego.«
»Nein. Er war hier in Massachusetts gemeldet, wo er mit seiner Schwester lebte. Carrie Otto flog nach San Diego und identifizierte die Kleidung ihres Bruders. Und das, was von ihm übrig geblieben war.«
Jane riss eine Packung Kopfschmerztabletten auf, steckte sich zwei Stück in den Mund und spülte sie mit lauwarmem Kaffee hinunter. Sie und Frost waren erst um zwei Uhr nachts in Boston angekommen, und die wenigen Stunden Schlaf, die ihr geblieben waren, waren immer wieder von der einjährigen Regina unterbrochen worden, die auf den Arm genommen und davon überzeugt werden musste, dass Mami wirklich wieder da war. An diesem Morgen war Jane mit rasenden Kopfschmerzen aufgewacht. Die immer neuen Wendungen, die diese Ermittlungen nahmen, stressten sie zusätzlich, und vom grellen Schein der Neonbeleuchtung im Besprechungsraum taten ihr nun auch noch die Augen weh.
»Könnt ihr mir so weit folgen?«, fragte Crowe und sah zu Jane und Frost auf, der genauso kaputt aussah, wie Jane sich fühlte.
»Klar«, murmelte sie. »Und was ist bei der Obduktion rausgekommen?«
»Todesursache war eine einzelne Schussverletzung im Hinterkopf. Die Waffe wurde nie gefunden.«
»Und in wessen Garten wurde er verscharrt?«
»Es war ein vermietetes Haus«, antwortete Crowe. »Die Mieter waren eine allein stehende Mutter mit ihrer vierzehnjährigen Tochter. Sie hatten schon ihre Sachen gepackt und waren verschwunden. Die Polizei sprühte Luminol in allen Räumen, und das Schlafzimmer des Mädchens leuchtete auf wie ein Weihnachtsbaum. Überall auf dem
Weitere Kostenlose Bücher