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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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knarrenden Dielen an Ausstellungsstücken vorbeigegangen waren, die ihnen mit der Zeit wie alte Freunde erschienen sein mussten.
    Hier vor ihr lag die Dokumentation von Scott-Kerrs Amtszeit, festgehalten in seinen manchmal etwas kryptischen Notizen.
    Megalodon-Zahn, Details der Erwerbung unbek. Schenkung von Mr. Gerald DeWitt.
    Henkel eines Tonkrugs mit eingeritzten geflügelten Sonnenscheiben. Eisenzeit. Gefunden bei Nebi Samwil von Dr. C. Andrews.
    Silbermünze, vermutlich 3. Jh. v. ehr., mit Gravur der Parthenope und menschenköpfigem Stier auf der Rückseite. Neapel. Erworben aus Privatsammlung von Dr. M. Elgar.
    Die Silbermünze war derzeit im zweiten Stock ausgestellt, aber sie hatte keine Ahnung, wo die tönernen Henkel abgeblieben waren. Sie machte sich eine Notiz, um später danach zu suchen, und blätterte die Seite um. Die nächsten drei Einträge waren zu einer Gruppe zusammengefasst.
    Diverse Menschen-und Pferdeknochen.
    Metallfragmente, evtl. Überreste vom Geschirr eines Lasttiers.
    Fragment einer Dolchklinge, evtl. persisch, 3. Jh. v. Chr. Gefunden von S. Crispin nahe Oase Siwa, Ägypten.
    Sie sah auf das Datum und erstarrte an ihrem Schreibtisch.
    Draußen rumpelte der Donner, aber sie hörte nur das Pochen ihres eigenen Herzens. Die Oase Siwa. Simon ist in der Libyschen Wüste gewesen, dachte sie. Im gleichen Jahr, als meine Mutter dort war.
     
    Sie griff nach ihren Krücken und humpelte den Flur entlang zu Simons Büro.
    Seine Tür stand offen, doch er hatte das Licht ausgeschaltet.
    Als sie in das Halbdunkel spähte, sah sie ihn am Fenster sitzen.
    Das Gewitter tobte jetzt mit aller Gewalt, und er starrte aus dem Fenster in den von Blitzen durchzuckten Himmel. Heftige Böen rüttelten am Fenster, und Regenschwälle prasselten gegen die Scheibe, wie von zornigen Göttern herabgeschleudert.
    »Simon?«, sagte sie.
    Er drehte den Kopf. »Ah, Josephine. Kommen Sie rein, und schauen Sie zu. Mutter Natur bietet uns heute ein fantastisches Schauspiel.«
    »Dürfte ich Sie etwas fragen? Es geht um einen Eintrag in dieser Kladde.«
    »Darf ich mal sehen?«
    Sie klackerte auf ihren Krücken durchs Zimmer und reichte ihm das Buch. Er kniff die Augen zusammen, um in dem fahlen Licht etwas erkennen zu können, und murmelte: »Diverse Knochen. Fragment einer Dolchklinge.« Er sah auf. »Und was wollten Sie mich fragen?«
    »Sie sind hier als Ausgräber eingetragen. Können Sie sich erinnern, diese Sachen mitgebracht zu haben?«
    »Ja, aber ich habe sie seit Jahren nicht mehr angeschaut.«
    »Simon, diese Stücke wurden in der Libyschen Wüste gefunden. Die Klinge wird als persisch beschrieben, aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert.«
    »Ah, natürlich. Sie würden sie gerne selbst in Augenschein nehmen.« Er griff nach seinem Stock und hievte sich aus seinem Stuhl hoch. »Nun, dann wollen wir mal einen Blick darauf werfen und sehen, ob Sie mit meiner Einschätzung konform gehen.«
    »Sie wissen, wo diese Objekte gelagert sind?«
    »Ich weiß, wo sie sein müssten. Falls nicht irgendjemand sie verlegt hat, seit ich sie zuletzt gesehen habe.«
    Josephine folgte ihm über den Flur zu dem altersschwachen Aufzug. Sie hatte der klapprigen Kiste nie getraut und vermied es normalerweise, damit zu fahren, aber mit ihren Krücken blieb ihr nichts anderes übrig, als einzutreten. Als Simon die Tür des schwarzen Gitterkäfigs schloss, hatte sie das Gefühl, dass die Falle plötzlich über ihr zuschnappte. Der Fahrstuhl erzitterte bedenklich, als er unter Knarren und Quietschen langsam ins Kellergeschoss hinunterfuhr. Sie war heilfroh, als sie unten unversehrt wieder aus der Kabine trat.
    Simon schloss die Tür des Lagerraums auf. »Wenn ich mich recht erinnere«, sagte er, »waren diese Stücke ziemlich kompakt, sie müssten also in den hinteren Regalen liegen.« Er ging voran und tauchte in das Labyrinth von Kisten ein. Die Bostoner Polizei hatte ihre Durchsuchung abgeschlossen, und der Boden war noch übersät mit Sägespänen und verstreuten Styroporküge1chen. Sie folgte Simon durch eine enge Passage in den älteren Teil des Lagers, vorbei an Kisten, die mit verlockend exotischen Namen beschriftet waren. JAVA. MANDSCHUREI. INDIEN. Endlich erreichten sie ein hoch aufragendes Regal, in dem Dutzende von Kisten lagerten.
     
    »Oh, Glück gehabt«, meinte Simon und deutete auf eine Kiste mittlerer Größe, die das richtige Datum und die richtige Signatur trug. »Sie steht genau in Griffhöhe.« Er zog sie aus dem

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