Grablichter - Almstädt, E: Grablichter
unangenehm war. Thorsten für eine schnelle Nummer am Vormittag war ja okay, aber dieser Leo hatte etwas, das ihr Unbehagen bereitete. So verrückt, sich mit dem einzulassen, war sie bestimmt nicht. Sie hatte gern alles unter Kontrolle. Und über den Leo kursierte das Gerücht, dass er sein Hotel in Kirchhagen mit ein paar Damen finanziert hatte, die in St. Georg für ihn anschaffen gingen. Möglich war alles. Jedenfalls trieb Leo Körting sich angeblich auch mit Typen rum, denen Anke lieber nicht im Dunkeln begegnen wollte.
»Zur Not nehm’ ich auch nur einen Kaffee.« Er ließ sich lächelnd auf den Küchenstuhl fallen, auf dem vorher der Polizist gesessen hatte. Sie schenkte ihm ein und hoffte, dass er bald wieder gehen würde.
»Du nimmst keinen?«, fragte er und schüttete Zucker in den Becher.
»Ich hatte schon genug. Was willst du, Leo?«
»So ganz unter uns Primaballerinen, was wollte dieser Typ denn von dir?«
»Er war wegen Lisanne Olsen hier. Ich habe das Gefühl, die glauben, das war gar kein Unfall. Ich konnte ihm aber nicht weiterhelfen.«
»Ist auch besser so. Nie freiwillig Informationen rausrücken. Alles im Leben hat schließlich seinen Preis.«
»Was willst du, Leo?«, wiederholte sie ungeduldig.
»Es geht um Dettendorf, Reuter und die anderen im Westen. Die spielen ein falsches Spiel, was die Straße angeht. Ich vermute, dass Jan Dettendorf versucht, seine Kontakte zur Politik zu nutzen, jetzt, wo es ernst wird.«
»Ich vermute eher, dass ihm der Tod seiner Freundin erst einmal genug zu schaffen macht. Und die anderen haben nicht das Format, etwas in Gang zu bringen.«
»Du bist naiv, Anke. Entschuldige bitte. Aber privat ist privat, und Geschäft ist Geschäft. Dettendorf glaubt, dass seine Existenz auf dem Spiel steht.«
»Stimmt das etwa nicht?«
»Vielleicht. Aber mir geht es genauso. Oder was meinst du, wie viele Gäste mein Romantik-Hotel noch beherbergen wird, wenn ein paar hundert Meter entfernt eine viel befahrene Straße vorbeiführt?«
»Das weiß ich alles. Komm auf den Punkt, Leo. Was hast du vor?« Es war höchste Zeit, einkaufen zu fahren und das Mittagessen vorzubereiten. Diese Männer hatten anscheinend alle Zeit der Welt.
»Ein winzig kleiner Schuss vor den Bug, ein Warnschuss für den lieben Jan Dettendorf. Reuter ist nicht das Problem, der tut, was Dettendorf ihm flüstert.«
»Was meinst du damit?« Anke bekam eine Gänsehaut auf ihren Armen. Der Mann, der hier in ihrer Küche ihren Kaffee schlürfte, galt als rücksichtslos. Vielleicht war er sogar gewalttätig. Irgendwie musste er ja zu der ganzen Kohle gekommen sein, mit der er immer so protzte.
»So genau musst du das gar nicht wissen. Falls dieser Bulle dich noch mal in die Mangel nimmt, meine ich. Aber du bist unser Lockvogel. Dettendorf vertraut dir, schließlich warst du ja mal ganz dicke mit seiner lieben Lisanne.«
»So dicke nun auch wieder nicht. Ich mache nichts, bevor ich nicht weiß, was du vorhast, Leo.«
Er leerte seinen Becher und leckte sich über die für einen Mann etwas zu üppig geratenen Lippen. Wahrscheinlich trug er deshalb diesen Bart, dachte sie.
Mit einem Mal schlug er mit der flachen Hand krachend auf den Tisch, sodass Becher und Thermoskanne zitterten. Anke saß da wie erstarrt.
»Hey, merk dir eins, Süße. Wenn ich den Karren für uns aus dem Dreck ziehen soll, wenn ich verhindern soll, dass die beschissene Straße direkt durch eure geschniegelten Gärten verläuft, dann kannst du mir ruhig den einen oder anderen kleinen Gefallen tun. Ich habe nämlich einen Plan, bei dem mir Jan Dettendorf nicht dazwischenfunken darf. Auf seine Weise ist er nämlich genauso lästig, wie die Olsen es war. Und wenn dir meine Methoden nicht passen, dann überleg mal, wie dein lieber Ehemann es fände, wenn ihm jemand steckt, was du mit Thorsten Maybach so treibst. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Anke starrte ihn an und nickte.
Leo stand auf und lächelte wieder, als wäre nichts vorgefallen. »Vorzüglicher Kaffee, Frau Nachbarin. Du hörst von mir. Ich muss mal wieder … Bis demnächst auf dieser Wellenlänge.«
Sie begleitete ihn nicht hinaus. Als die Haustür hinter ihm ins Schloss fiel, ging sie an den Wohnzimmerschrank und goss sich ein halbes Wasserglas voll Wodka ein. Was sollte sie jetzt machen?
8. Kapitel
A ls Pia vor dem Haus der Burmeisters stand, dämmerte es bereits. Sie hatte für den Olsen-Fall den ganzen Tag im Büro gehockt und mit einem Kollegen zusammen den
Weitere Kostenlose Bücher