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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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das erste Mal, dass die Polizei einfach
hier reinschneit. Ohne Erlaubnis.«
    Chili trat zwei Schritte vor.
    »Wir schneien hier nicht einfach rein. Und es geht nicht um Bußgeld.
Es geht um Mord.«
    Das war zwar nicht ganz korrekt. »Tod durch Fremdverschulden« war
die offizielle Bezeichnung. Doch wenn man auftrumpfen wollte, klang Mord
bedrohlicher.
    Schließlich war die Heimleiterin bereit, sie auch ohne den Durchsuchungsbefehl
ins Zimmer der Moserin zu führen. Unter einer Bedingung: Die Moserin durfte
nicht dabei sein.
    »Was suchen Sie eigentlich?«, wollte sie am Ende noch wissen.
    »Sie können gern dabei sein. Dann werden Sie’s schon sehen. Es steht
aber bei Weitem nicht fest, ob wir überhaupt was finden werden.«
    Zwanzig Minuten später rief Chili ihren Chef, Kriminalrat Rico
Stahl, über Handy an.
    »Erinnern Sie sich, Chef, wie viele Schüsse auf die Tote abgegeben
wurden?«
    Rico musste nicht lange nachdenken. »Zwei. Und die Hülsen wurden
nicht gefunden.«
    »Doch, Chef. Jetzt wurden sie gefunden.«
    Chili konnte spüren, wie ihr Chef aufhorchte. Es folgte eine kurze
Pause, während der beide schwiegen.
    »In der Schürzentasche von der Moserin.«
    Noch eine Sekunde Schweigen.
    »Gleiches Kaliber. Unzweifelhaft.«
    Chili war nur flüchtig mit der Moserin zusammengetroffen. Man hatte
sie vor der Durchsuchung entfernt. Ihr Zimmer war nicht groß. Dadurch aber,
dass auch nicht viel drin war, wirkte es geräumiger als die vielleicht fünfzehn
Quadratmeter. Ein Bett, ein Tisch mit Stuhl, ein altmodischer Sessel, ein
Holzschrank in sienafarbenem Ocker mit primitiver Bauernmalerei, der vier
Stummelbeine hatte. Eines dieser Stummelbeine fehlte, dafür hielt ein roter
Ziegelstein das Gewicht. Selbst die Form und Art dieses Ziegelsteins, genau wie
die des Sessels, war lange außer Mode gekommen.
    In dem Schrank – rechts mit Kleiderstange, links unten
Schubladen, oben für Kurzärmeliges – fanden sich vier Schürzen. Zwei mit
Trägern, zwei ohne. In der linken und rechten Außentasche einer der beiden
Schürzen ohne Träger hatte sich je eine Patronenhülse befunden.
    Jeden Zentimeter im Zimmer der Moserin hatten sie umgedreht. Nichts,
was einen weiteren Hinweis auf die Tat ergeben hätte, hatten sie gefunden.
    »Können Sie sich erinnern, welche Schürze Ihre Großmutter am
Todestag getragen hat?«, fragte Chili am Telefon.
    Unweigerlich, diese Frage an die junge Resi musste kommen.
    Und es war grad so unweigerlich, dass sich die Resi nicht daran
erinnern würde. Den Beweis musste das Labor erbringen. Doch selbst wenn –
was bewies das schon?
    Das war die eine Nachricht, die Rico Stahl an diesem
Nachmittag erhielt.
    Die andere konnte er dem Arztbericht entnehmen, den er zunächst so
achtlos weggeschoben hatte.
    Dr. Oliver Schmeling hieß der Psychiater, bei dem die Moserin
sporadisch in Behandlung war.
    »Die Patientin hat in zunehmendem Maße Mühe, Gesichter zu erkennen.
Oft sieht sie auch Gesichter, wo keine sind. Im Wartezimmer tätschelt sie die
Köpfe anderer Patienten, weil sie sie für Kinder hält. Liebenswürdig spricht
sie den Wasserspender im Vorzimmer an und ist erstaunt, wenn er keine Antwort
gibt.
    Da die Patientin hochgradig an Diabetes leidet und sich diese
Krankheit auf die Augen auswirken kann, wurde sie an einen Fachkollegen
überwiesen. Er nahm die Anamnese auf und untersuchte die Augen. ›Mit den Augen
ist alles in Ordnung‹, schrieb er mir zurück. ›Aber mit dem Sehzentrum ihres
Gehirns stimmt etwas nicht.‹ Frau M. benötigt demnach keinen Psychiater
und keinen Augenarzt, sondern einen Neurologen.«
    Rico Stahl wurde sehr nachdenklich. Sollte er diese Frau einem
weiteren Facharzt überantworten?
    Eine ganz andere offene Frage beschäftigte ihn beinahe noch mehr.
Warum glaubte er der Zeugin Resi Moser nicht? Ihre Aussage war eindeutig. Der
Hund war mit den Läufen oder mit den Krallen an den Abzug geraten. Die Waffe
hatte sich entladen und die Grabmoosalm-Wirtin tödlich getroffen.
    Doch zwei Indizien irritierten ihn bei alldem.
    Warum waren keine Fingerabdrücke an der Waffe? Die Wirtin war
schließlich angeblich mit dem Gewehr auf Wolfsjagd gewesen und musste Abdrücke
hinterlassen haben, wenn sie nicht die ganze Zeit über Handschuhe getragen
hatte.
    Und nun die zwei Patronenhülsen. Warum steckte die demente Moserin
diese Dinger, mit denen die tödlichen Schüsse abgefeuert wurden, in die Tasche?
Ließ sie also verschwinden?
    In seinem Kopf bestand kaum mehr ein

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