Grabmoosalm (German Edition)
Semmelknödeln in
der Küche beschäftigt war.
Der Pfeiferl, als er noch Seppe hieß, hatte mit der Großmutter,
bevor sie tot war, auch schon Semmelknödel machen dürfen. Er wusste genau, was
das für eine Sauarbeit war. Das Schlimmste spielte sich zwischen den Fingern
ab, wenn die Hände im klebrigen Teig wühlten und er spüren musste, wie das Zeug
durch die gespreizten Finger quatschte. Als wenn du im Stall mit den Händen
voraus in einen frischen Haufen Kuhscheiße fällst.
Die Tigerdogge musste begriffen haben, dass etwas Wichtiges,
Außergewöhnliches bevorstand, denn sie ließ ihr Fell weithin in glänzenden Farben
erstrahlen. Es sah aus wie dick aufgetragener weißer Lack mit oben
draufgepappten, unregelmäßig runden kohlschwarzen Flecken. Wo sie hintrat,
wurde die dicke graue Suppe, die in der Luft hing, gleich heller und
freundlicher. Wie eine Prinzessin schritt sie mit erhobenem Haupt und zuckender
Schnauze neben ihrem engsten Freund her.
Als die zwei in den Wald eintauchten und sie Witterung aufgenommen
hatte, tauschten sie die Rollen. Die Sissi zottelte voraus, der Pfeiferl
schlich hinterher und hielt vor Spannung den Atem an. Ab und zu griff er nach
dem Schwanz oder dem Hinterteil der Hündin, um die Orientierung in den
wabernden Dunstschleiern zu behalten. Das Greifen fiel ihm nicht weiter schwer,
denn beide hatten ungefähr die gleiche Schulterhöhe. Sorgfältig achteten sie
beide darauf, dass kein Ästchen knackte und kein Zweigerl brach.
Bald kamen sie an die Lichtung zwischen den Bäumen, an der sie
neulich dem Wolf begegnet waren. Die Sissi hielt an, und der Pfeiferl legte
einen Zeigefinger auf die Lippen.
So standen sie sich eine ganze Weile schweigend Auge in Auge
gegenüber.
Sie erwarteten den Wolf. Doch sie hörten eine menschliche Stimme.
Die Sissi spitzte die Ohren und rollte mit den Augen.
Der Pfeiferl meinte sich verhört zu haben.
Dann hörten sie es wieder. Es war die Stimme einer jungen Frau oder
die eines Kindes. Beide blickten in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
Vielleicht zwanzig Meter weit reichte die Sicht.
Der Pfeiferl sah griffige Fichten- und glatte Ahornstämme in die
Höhe ragen. Ihre Wipfel verschwanden im Dunst. Der farndurchsetzte Waldboden
war mit braunen Nadeln bedeckt, ein paar Zapfen lagen wahllos herum. Dampfiges
Moos hatte sich überall ausgebreitet, umgestürzte morsche Bäume klammerten sich
an gesunde. Dazwischen glitzerten glatte Steine und Haufen von frischem
Sägemehl im kargen Licht.
Die Silhouette des Wolfs sahen sie als Erstes. Wie ein Gespenst
durch eine graue Mauer.
Die Tigerdogge spannte den Körper mit gesträubtem Fell. Sie begann
leise zu knurren.
Der Pfeiferl legte die Hand auf ihren Rücken und pfiff, so leise er
konnte: »Diiditdaaa!«
Sofort verstummte die Dogge.
Der Wolf hatte nichts Gefährliches an sich. Er stand einfach da und
schaute zu ihnen her. Keine hochgezogenen Lefzen, kein Knurren, kein Heulen.
Dann sahen sie das Kind. Es kam hinter dem Wolf hervor und hatte –
wie der Pfeiferl bei der Sissi – die Hand auf seinem Rücken.
»Halloooo!«, rief das Kind.
Kaum dass man es verstehen konnte, so leis war sein Stimmchen.
Es war ein Mädchen.
Der Pfeiferl wusste nicht, warum, aber er musste sofort an das
verschwundene Mädchen denken, das ungefähr so alt war wie er.
Der Wolf näherte sich im Schneckentempo. Er war so silbrig wie der
im Zoo, hatte den Kopf gesenkt und schaute aus klaren grünen Augen zu ihnen
her. Das Mädchen blieb hinter seinem schlanken Körper halb verborgen.
»Ich bin die Arabella«, rief es herüber.
Ihr Stimmchen klang glockenhell.
»Und wer seid ihr?«
***
Die Semmelknödel gehörten wie der Schweinsbraten und der Krautsalat
und das Bier zum Musi-Donnerstag auf der Grabmoosalm.
Am späten Nachmittag trudelten sie nacheinander ein, die Musikanten.
Der Wast mit der Zither, der mit schwülstigem Bariton auch sang. Der Bruno mit
der Gitarre, der Alois mit der Bassgitarre. Sie waren in einem Auto das
Straßerl heraufgekommen.
Als Letzter folgte der Bepperl. Er hatte seinen Tubakasten zu Fuß
den Berg heraufgeschleppt.
Alle viere hatten unten am Parkplatz von der Papierfabrik einen
kurzen Schlenker gemacht. Der Mord an der Frau im eingerollten Teppich hatte
sich herumgesprochen. Das Band der Polizeiabsperrung war noch da gewesen.
Aber die Leiche war schon weg. Das hatte sie enttäuscht. Wie man so
hörte und las, sollte es eine Türkin gewesen sein. Eine, die koaner kennt hod.
Aber
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