Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
Dass
die Tote ein Kind hatte, dass sie bei ihrem Vater wohnte, und dann noch der
Einbruch – das hätte er alles vor dem Gespräch wissen sollen. Was war los
mit Chili?
    Trotzdem musste er konzentriert bleiben. Hier kristallisierte sich
eindeutig ein Muster heraus.
    Er lehnte sich zurück, sodass sein Gesicht halb im Schatten blieb.
    In den Augen der Türkin gegenüber standen noch immer Tränen.
    »Nachdem sie bei Ihnen war, haben Sie Gülüm also nicht mehr gesehen –«
    »Gülsüm«, verbesserte Hakan.
    Pistolenschießen und über Wasser laufen konnte Rico besser als sich
fremde Namen merken. Er nickte dankbar.
    »Gülsüm. Wann haben Sie nach dem Besuch bei Ihnen das erste Mal
wieder von ihr gehört?«
    Hanife wollte antworten, doch Hakan legte eine Hand auf ihren
Oberschenkel und hieß sie zu schweigen.
    »Wie gesagt, am Samstag war sie bei uns«, führte er aus. »Am Montag
ist bei ihr eingebrochen worden. Gülsüms Handtasche mit sämtlichen wichtigen
Papieren wurde entwendet.«
    Hanife hielt es nicht mehr auf ihrem Stuhl. Sie sprang auf.
    »Genau«, rief sie aus und gestikulierte lebhaft. »Pass, Scheckkarte,
Kreditkarte, Kinokarte …«
    »Hat sie den Einbruch bei der Polizei gemeldet? Oder ihr Vater?«,
fragte Chili dazwischen.
    Diesmal antwortete der Mann wieder.
    »Ich glaube schon«, begann er, wurde aber lebhaft unterbrochen.
    »Ja«, rief seine Frau. »Sie hat am Dienstag in der Früh in unserer
Personalabteilung angerufen und gesagt, dass sie wegen des Einbruchs später
kommen wird. Das weiß ich, weil sie anschließend mich auf dem Handy verständigt
hat. Wegen des gestohlenen Passes musste sie sogar zur Ausländerpolizei.«
    Chili sah unauffällig zu Rico hinüber.
    Der saß weiterhin ungerührt in seinem weichen Sessel mit Orientmuster
und nickte unmerklich. Die Angaben des Paars mussten selbstverständlich
überprüft werden.
    »Am nächsten Tag hat mich Hanife aus der Firma angerufen«, schilderte
ihr Mann, »und hat mir mitgeteilt, dass Gülsüm nicht auf ihrer Arbeitsstelle
erschienen ist.«
    »Genau«, übernahm Hanife. »Deshalb sind wir abends zu Gülsüms
Wohnung in die Kastenau gefahren, um nach dem Rechten zu schauen. Doch es war
niemand da. Wir haben ein paarmal geklingelt, aber niemand hat aufgemacht.«
    Beide, Hakan und Hanife, bliesen die Backen auf und ließen Luft ab.
    Rico hatte den Eindruck, dass sie am Ende ihrer psychischen Kraft
waren. Doch er war sicher, dass er auf dieser Fährte noch weiterkam.
    »Und?«, fragte er den Mann, denn er hatte das Gefühl, dass dieser
der Stabilere von beiden war. »Dann haben Sie’s darauf beruhen lassen? Hat sie
die ungewöhnliche Abwesenheit nicht beunruhigt?«
    »Du warst doch bei der Polizei«, regte sich die junge Türkin auf.
»Warum sagst du ihnen das nicht?«
    Es stellte sich heraus, dass Hakan Oben tatsächlich das Verschwinden
der Freundin seiner Frau der Polizei gemeldet hatte. Dort habe man ihm aber
gesagt, dass die Suchmeldung, die er sich gewünscht hatte, erst nach Ablauf von
drei Tagen erfolgen könne.
    Danach seien sie beide herumgefahren und hätten mit allen möglichen
Bekannten telefoniert, um etwas über Gülsüms Aufenthalt zu erfahren. Doch es
habe keinen konkreten Hinweis gegeben.
    Hakan richtete sich auf.
    »Ich bin abends sogar nach München gefahren, in die ›Hürriyet‹-
Redaktion, um dort eine Suchanzeige aufzugeben. Aber die haben auch nicht
mitgemacht. Sie könnten keine Ausnahme machen, haben sie gesagt.«
    »Hürriyet. Freiheit«, flüsterte Rico seiner Kollegin zu und strich
die Krawatte glatt.
    Chili lächelte beeindruckt.
    »Ist Gülsüm denn ermordet worden?«, platzte Hanife heraus.
    Rico musste schlucken. »Wie kommen Sie denn gleich auf Mord?«,
fragte er unschuldig.
    Wieder war die junge Frau mit dem Kopftuch den Tränen nahe. »Frau
Oben«, sagte Chili Toledo. Sie war aufgestanden und hatte sich vor Hanife
hingestellt.
    »Wenn jemand nicht zur Arbeit erscheint, können viele Gründe eine
Rolle spielen. Es könnte ein Unfall sein, eine plötzliche Abreise, das
Zusammensein mit einem Freund. Aber Sie wollten gleich eine Suchanzeige
aufgeben. Wissen Sie vielleicht mehr, als Sie uns sagen wollen?«
    Drei senkrechte Falten bildeten sich über Chilis Nasenwurzel. »Wenn
Sie uns etwas verschweigen, Frau Oben, dann machen Sie sich strafbar! Und Ihnen
dürfte klar sein, was das für Sie bedeuten könnte.«
    Hanife faltete die Hände über dem Bauch. Sie sah ihren Mann an, und
der nickte.
    »Wie kommen Sie

Weitere Kostenlose Bücher