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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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und spähte durch den Zaun. Nichts. Er schloss die brusthohe Gartentür auf
     und trat auf die schmale Straße hinaus. Ein trüber Tag begann, untypisch für
     den Chiemgau in dieser Jahreszeit. Das Wetter war unentschlossen.
    Von dem Jungen sah Ottakring nur mehr die Hacken. Der Bub hatte ein
     signalgrünes Sweatshirt mit einer Aufschrift am Rücken an und hinkte beim
     Laufen. In der linken Hand schwenkte er etwas Langes, Blinkendes. Der Junge
     verschwand nach links und tauchte in eine Nebenstraße ein.
    Ottakring prägte sich das Bild ein.
    Herr Huber hatte den Porsche umrundet und schnüffelte am linken
     Hinterreifen. Ottakrings Autospielzeug stand auf dem reservierten Parkplatz vor
     dem Zaun aus Maschendraht, der das Grundstück umgab. Er wusste gleich, dass das
     widerliche Geräusch von vorhin etwas mit seinem Wagen zu tun hatte. Fast hätte
     er laut aufgeschrien, als er den zentimeterbreiten Streifen im gepflegten
     orangefarbenen Lack sah. Der Riesenkratzer begann kurz hinter dem linken
     Frontscheinwerfer, lief unterhalb des Fensters quer durch die Seitentür und
     endete kurz vor den Rückleuchten. Er sah aus wie eine tiefe Fleischwunde.
     Ottakring fühlte sich, als wäre Herr Huber vor einen Lkw gelaufen. Als hätte
     Lola sich einen Finger abgeschnitten.
    Sollte der Junge …?
    In dieser Minute konnte er unmöglich absehen, welche Dimensionen die
     ekelhafte Schleifspur im orangefarbenen Lack des Porsche annehmen sollte.
    Alles war ruhig in Aschbach, dem Zweitausend-Seelen-Ort nahe der
     österreichischen Grenze. Sonntagsruhe. Ein grauer Tag in einer farbigen
     Jahreszeit. Nur schwach war die Silhouette der Kampenwand im Südosten
     erkennbar. Das platt getretene Gras am Straßenrand war stumpf und brüchig. Man
     hätte nicht glauben wollen, es könne sich jemals wieder mit einem dichten
     Muster von blauen und gelben Krokusblüten überziehen.
    Ottakring blickte nach rechts. Er schaute hinüber zum Russenhaus.
     Lola und er hatten das schräg gegenüberliegende Zweifamilienhaus so getauft,
     weil dort vor Kurzem russische Bewohner eingezogen waren. Ein Mann mit einem
     Jungen, vielleicht zehn Jahre alt, und ein offenbar alleinstehender Mann. Keine
     Frauen. Die beiden Wohnungen lagen übereinander.
    Mit dem Single hatte er sich angelegt. Ein Landrover hatte, als er
     am Freitag vom Dienst nach Hause kam, auf seinem Parkplatz vor dem Haus
     geparkt. » RUS« stand auf dem Aufkleber neben der
     Rosenheimer Nummer am Heck. Wütend hatte Ottakring den Porsche anderswo geparkt.
    Am Samstag hatte er den Besitzer zur Rede gestellt. »Würden Sie sich
     bitte zukünftig einen anderen Parkplatz suchen?« Bestimmt, aber freundlich
     hatte er das gesagt. Bloß nicht fremdenfeindlich erscheinen.
    Der andere verschränkte die Arme vor der Brust. Eine stiernackige
     Gestalt in einem Trainingsanzug aus blauem Nylon, silbergrauen Sneakers und
     einem ovalen, bartlosen Gesicht. Kalt und feindselig, so hatte Ottakring ihn
     nachher beschrieben, als er Lola den Vorfall schilderte. Kalt, feindselig und
     brutal. Geruch von altem Schweiß. Eine schroffe, scharfe Stimme.
    »Du wirst bald den Abgang machen«, sagte der Russe mit hartem
     Zungenschlag und machte ungeniert die Bewegung des Kehledurchschneidens. »Wenn
     du so weitermachst.« Das war gestern gewesen.
    Nun stand Ottakring vor seinem geschundenen Porsche und schaute
     hinüber zum Russenhaus. Er war Polizist genug, um zu wissen, dass er im Moment
     nichts unternehmen konnte. Dem Jungen hinterherrennen? Nein, bestimmt nicht.
     Herr Huber rieb die Schnauze an seiner Kniekehle.
    »Was ist, Schatz?« Lola hatte das Küchenfenster geöffnet. Sie setzte
     Kaffee auf. »Fehlt dir was?«
    Immer noch musste sich Ottakring an den Anblick gewöhnen. Seine
     schöne Lola wieder mit der Klappe überm Auge. Ihre Augeninfektion hatte als
     geheilt gegolten. Dann war sie aufs Neue ausgebrochen und hatte sie arg
     mitgenommen. Doch Lola wäre nicht Lola, wäre sie nicht felsenfest überzeugt
     davon, dass sich die Krankheit endgültig verziehen würde.
    Ottakring wischte die kleinen Tropfen ab, die sich über seiner Lippe
     gebildet hatten. »Ja«, sagte er. »Beweise. Beweise fehlen mir.«
    In der Nacht von Sonntag auf Montag, den 21. September,
     wurden sie gegen zwei Uhr von Musik geweckt. Mehr noch, sie schreckten hoch,
     als bebte die Erde. Die Wolken hatten sich an den Horizont verzogen, und der
     Mond stand hell und hoch am Himmel. Wie ein Unwetter toste der Lärm
    

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