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Grabmoosalm (German Edition)

Grabmoosalm (German Edition)

Titel: Grabmoosalm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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ich würde sterben. Die Geräusche wurden
     weniger und leiser. Töne vibrierten. Das Licht wurde weniger. Leicht wie eine
     Feder nahte der Tod.
    Das Licht geht wieder an. Es ist weich
     und matt. Ich sehe Gegenstände. Sie sehen verwischt und unscharf aus, als ob
     sie im Schatten lägen. Ein unbekanntes Gesicht taucht auf, ein weiblicher Kopf
     mit üppigem Haar. Das Gesicht nimmt einen besorgten Ausdruck an, und die Stirn
     über mir legt sich in harte Falten. Hände machen sich an meinem Körper zu
     schaffen. Ihre Bewegungen und der Geruch verraten mir, dass ein Verband
     gewechselt wird.
    Sagen Sie nichts, Frau Toledo.
    Der Mund der Ärztin bewegt sich. Ich sehe
     blendend weiße Zahnreihen. Hören kann ich die Ärztin nicht.
    Sie dürfen noch nicht reden.
    Sie nimmt das Stethoskop ab, setzt sich neben
     mein Bett und legt eine Hand auf meinen Arm.
    Sie sind seit drei Tagen hier. Sie waren auf der
     Hochzeit Ihres Chefs. Da kam einer und hat auf Sie geschossen. Sie haben Glück
     gehabt. Können Sie mich verstehen? Reden Sie nicht. Zeigen Sie.
    Mit den Fingern forme ich ein Okay-Zeichen. Ich
     nicke schwach. Jedenfalls kommt es mir vor, als ob ich nicke. Ich hänge am
     Tropf. Lebenserhaltende Flüssigkeiten. Sie haben meinen Körper bewegt und
     massiert, damit die Muskeln sich nicht zurückbilden. Sie haben mich und mein
     Bett sauber gehalten.
    Das weiche Morgenlicht taucht das Krankenzimmer
     in mattes, cremiges Weiß. Ich kann ohne Schmerzen atmen.
    Sämtliche Phänomene, die sich angeblich an der
     Grenze zum Tod abspielen, sind bei mir nicht eingetreten. Ich sah kein Licht am
     Ende eines Tunnels. Mein Leben zog nicht wie ein Film an mir vorbei. Meine
     Seele verließ auch nicht den Körper und blickte von oben auf ihn herab. Ich bin
     am Leben.
    Dachte ich.
    Eine Sekunde später fällt das Atmen wieder
     schwer. Ich lasse mich aufs Kissen zurückfallen. Die Ärztin wischt mir mit
     einem Tuch übers Gesicht. Unter der Haut spüre ich Hitze, und ein kribbelndes
     Gefühl kriecht mir die Arme hoch. Ich merke noch, wie der Schweiß ausbricht.
     Dann spüre ich einen kurzen Nadelstich im Oberarm und falle wieder in Schlaf.
    Dass es ein Gebirgsschütze gewesen sein
     soll, ist mir erst später wieder eingefallen. Zunächst fehlt mir jegliche
     Erinnerung daran. Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Es ging um einen
     Parkplatz.

EINS
    Kriminalrat Josef »Joe« Ottakring hatte eine neue
     Liebhaberei für sich entdeckt: das Bügeln.
    Dafür hatte er sich ein eigenes Bügelzimmer eingerichtet. Ein
     Bügelbrett, ein Dampfbügeleisen, die weiße Wand, ein mannsgroßer Spiegel und
     ein offenes Fenster nach Südost – das war’s. Für ihn die beste Art der
     Entspannung, hatte er herausgefunden. Er konnte sich mit Herrn Huber
     unterhalten, seinem Hund, der sich immer in Hörweite aufhielt. Das Tier besaß
     alle Merkmale eines Berner Sennenhunds, nur war er kurzhaarig. Weiße Maske,
     weiße Schuhe, weiße Schwanzspitze. Oder Ottakring legte ein Oboen- oder ein Cellokonzert
     in den CD -Spieler. Jeden Tag, egal zu welcher
     Zeit, bügelte er ein Hemd oder zwei, ein T-Shirt oder auch schon mal ein Top
     oder eine Bluse für Lola. Die Straße, an der gewöhnlich sein Porsche parkte,
     konnte er vom Bügelzimmer aus nicht einsehen.
    Am Morgen des 20. September
     2009, einem
     Sonntag, bügelte er schon sehr früh. Draußen bogen sich im Garten zwei hohe
     Thujen und eine Zypresse im sanften Wind, nach Osten hin war körniges
     Morgenlicht. Ottakring dachte über sein Leben nach, das vergangene und das
     künftige. Ab und zu bohrte seine Zungenspitze Reste seines Morgenmüslis aus den
     Zähnen. Gedankenlos spuckte er sie auf den Boden. Sachte zischend fuhr das
     Eisen über die Manschette des blauen Baumwollhemds.
    Er hatte schlecht geschlafen, immer am Rand des Wachseins entlang.
     Nach einem verrutschten Kuss auf Lolas Mund war er schließlich aufgestanden.
    Ein schrecklich schrilles Geräusch scheuchte Ottakring vom
     Bügelbrett. Metall schlug gegen Metall und machte ein langsames, grässlich
     kreischendes Geräusch. Wie eine Kreissäge kurz vor dem Verenden.
    Das war’s, was Ottakring hörte.
    Herr Huber lag auf seinem Hundebett, ein Ohr heruntergeklappt, das
     andere gespitzt. Mit dem Kreischen stellte er beide Ohren auf und klopfte mit
     der Schwanzspitze ein paarmal auf den Boden. Als sein Herr aus dem Haus
     spurtete, sprang er auf und folgte ihm wedelnd. Ottakring schob zwei Thujen zur
     Seite

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